Chlamydien durchbrechen die körpereigene Krebsabwehr

Durch den Abbau eines tumorunterdrückenden Proteins verhindern Chlamydien den programmierten Zelltod

13. November 2014

Infektionen mit den sexuell übertragenen Bakterien Chlamydia trachomatis bleiben oft unbemerkt. Die Erreger gelten nicht nur als häufigste Ursache weiblicher Unfruchtbarkeit; sie stehen auch im Verdacht, das Risiko einer Erkrankung an Unterleibskrebs zu erhöhen. Ein Forscherteam am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin hat nun den Abbau eines wichtigen körpereigenen Schutzfaktors im Verlauf einer Chlamydien-Infektion beobachtet. Indem die Erreger den Abbau des Proteins p53 aktivieren, blockieren sie einen wichtigen Schutzmechanismus infizierter Zellen, die Einleitung des programmierten Zelltods. Bei vielen Krebsarten ist diese Schutzfunktion von p53 ebenfalls eingeschränkt. Die neuen Einblicke untermauern den vermuteten Zusammenhang zwischen Chlamydien-Infektionen und dem Auftreten bestimmter Krebsarten.

Täglich entstehen in fast jeder unserer Zellen hunderte von Mutationen. Das Protein p53 wird daraufhin aktiviert und soll diese Veränderungen im Erbgut begrenzen: Entweder repariert die Zelle die geschädigte DNA oder, wenn das nicht möglich ist, startet sie das zelluläre Selbstmordprogramm. Auf diese Weise werden die Zellen normalerweise vor der Entstehung von Krebs geschützt.

Infektionen mit Chlamydien führen zu einer drastischen Erhöhung der Mutationsrate, wie das Berliner Team am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie bereits im Vorjahr berichtet hatte. Für die Chlamydien wäre die Aktivierung des "Selbstmordprogramms" aber fatal. Schließlich können sich die Bakterien nur innerhalb ihrer Wirtszellen vermehren, von denen sie ihre Nährstoffe beziehen. Chlamydien verhindern deshalb die Aktivierung dieses Vorgangs der Zellen.

Mit Unterstützung von Kollegen aus dem Max Delbrück-Zentrum und Australien konnte das Max-Planck-Team nun zeigen, dass die Chlamydien das Überleben der Wirtszellen durch den Abbau von p53 sichern. Dies bewerkstelligen sie über die Aktivierung eines in der Zelle bereits vorhandenen Abbauweges. Die Erreger gewinnen so genügend Zeit, um sich im Innern der Zellen erfolgreich zu vermehren. Für den Wirtsorganismus hat das jedoch fatale Folgen: Durch die Zerstörung von p53, dem zentralen „Wächter des Genoms“, steigt die Gefahr, dass mutierte Zellen nicht absterben und sich stattdessen zu Krebszellen entwickeln.

Ein Abbau von p53 wird auch bei Infektionen mit dem humanen Papillomavirus beobachtet, dem Verursacher von Gebärmutterhalskrebs. Chlamydien könnten auch bei dieser Krankheit eine Rolle spielen. Sie dringen jedoch viel tiefer in den Genitaltrakt ein und können zu Entzündungen der Eileiter führen, wo sie lange Zeit oft unbemerkt überdauern. An diesem Ort der Eileiter nimmt auch der Eierstockkrebs seinen Ausgangspunkt, eine der gefährlichsten Krebsarten bei Frauen.

„Der Einfluss von Chlamydien auf p53 ist ein wichtiges Teil im komplizierten Puzzle der Tumorentstehung. Je mehr sich der Zusammenhang zwischen Infektion und Krebs erhärtet, desto wichtiger wird es sein, die Entwicklung wirksamer Impfstoffe und Antibiotika zur Krebsvorbeugung voranzutreiben“, erklärt Thomas F. Meyer, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut.

RZ/HR-DU

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