NOEMA auf der Suche nach unseren Ursprüngen

Das Observatorium auf dem Plateau de Bure wird zum leistungsfähigsten Radioteleskop der Nordhalbkugel ausgebaut

16. September 2014
Mit der offiziellen Einweihung der ersten von sechs geplanten NOEMA-Antennen am 22. September unternehmen die Max-Planck-Gesellschaft und ihr Partnerinstitut IRAM einen entscheidenden Schritt hin zu einem der größten deutsch-französischen Vorhaben in der Astronomie: dem Ausbau des Plateau de Bure Observatoriums in den französischen Alpen zum leistungsstärksten und empfindlichsten Millimeter-Radioteleskop der nördlichen Hemisphäre. Die Wissenschaftler erhoffen sich von diesem modernen Observatorium Antworten auf die Frage nach unserer Herkunft und der Entstehung des Universums.

Die Radioastronomie der Millimeterwellen spielt eine zentrale Rolle in der Astrophysik. Während optische Teleskope überwiegend auf die Beobachtung von heißen Himmelskörpern wie Sternen ausgerichtet sind, ermöglichen Radioteleskope die Erforschung des kalten Universums bei Temperaturen von nur einigen Grad über dem absoluten Nullpunkt (- 273,15 Grad Celsius). Dabei spüren sie Objekte auf, die sich – weil von kosmischem Staub und interstellaren Wolken umgeben – mit optischen Instrumenten nicht beobachten lassen.

Auf diese Weise dringen Forscher bis zu den fernsten Galaxien vor und analysieren Schwarze Löcher am Rande des uns bekannten Weltalls. Gleichzeitig erlaubt die Radioastronomie die Analyse von interstellaren Molekülen und kosmischem Staub – Schlüsselelemente für die Entstehung von Sternen und Galaxien und damit für die Entwicklung des Kosmos.

NOEMA (NOrthern Extended Millimeter Array) gehört zu einer neuen Generation von Radioteleskopen und wird nach seiner Fertigstellung das leistungsstärkste Interferometer auf der Nordhalbkugel sein. „Das Plateau de Bure Observatorium ist schon heute eines der besten und empfindlichsten Radioteleskope weltweit, aber mit NOEMA sind wir Teil einer neuen Ära der Radioastronomie“, sagt Roberto Neri, IRAM-Forscher und wissenschaftlicher Leiter der Anlage auf dem Plateau de Bure.

Dank sechs zusätzlicher 15-Meter-Antennen und dem Einsatz neuer Instrumente sowie einer Verlängerung der Schienensysteme, auf denen sich die Teleskope bis zu 1,6 Kilometer voneinander entfernt positionieren lassen, wird NOEMA den Himmel zehnmal empfindlicher vermessen als das bisher möglich war; außerdem bietet die auf 2500 Metern über dem Meeresspiegel gelegene Anlage eine vierfach bessere räumliche Auflösung.

Die empfindlichen Empfängersysteme, in denen Höchstfrequenz- und Terahertztechnologie sowie supraleitende Detektoren und Tieftemperaturtechnik zum Einsatz kommen, werden bei IRAM in den institutseigenen Laboratorien entwickelt.

NOEMA wird nach einem Prinzip arbeiten, das man abbildende Interferometrie nennt. Dazu richten Forscher die einzelnen Antennen gemeinsam auf ein astronomisches Objekt und bringen die von ihnen empfangenen Signale anschließend zur Überlagerung. Dieses Verfahren sowie der Einsatz mathematischer Methoden liefert dann ein Bild mit der räumlichen Auflösung eines Einzelteleskops, dessen Durchmesser dem Abstand zwischen den Antennen entspricht – im Fall von NOEMA einem Teleskop von bis zu 1600 Metern Durchmesser.

Die Auflösung des Radioobservatoriums beträgt 0,2 Bogensekunden – entsprechend etwa einem Zehntausendstel des Winkels, unter dem der Vollmond am irdischen Firmament erscheint – und liegt damit in der Größenordnung jener des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO).

NOEMA wird präzise Bilder von interstellaren Gaswolken und Sterngeburten liefern. Gleichzeitig erhoffen sich die Wissenschaftler Antworten auf die fundamentalsten Fragen der modernen Astronomie: Wie ist die erste Generation von Sternen direkt nach dem Urknall entstanden? Wie haben sich die ersten großen Strukturen im Universum entwickelt, um schließlich Galaxien zu formen wie unsere Milchstraße? Wie genau funktioniert der kosmische Zyklus der interstellaren Materie, die von Sternen am Ende ihrer Existenz ins All geschleudert wird und aus der wiederum neue Sonnen entstehen? Wie formen sich Planeten und Planetensysteme?

NOEMA wird außerdem ein wichtiger Teil eines noch größeren, globalen  Interferometers werden. Das Gesamtbudget des Projekts ist auf 45 Millionen Euro veranschlagt, getragen und finanziert wird es gemeinsam von den IRAM-Gründungsinstitutionen: der Max-Planck-Gesellschaft und dem Centre National de la Recherche Scientifique. Im kommenden Jahr schon soll die zweite der sechs neuen Antennen installiert werden. Vier bis fünf Jahre wird es bis zur Fertigstellung mit allen zwölf Antennen dauern.

IRAM-Direktor Karl-Friedrich Schuster zeigt sich enthusiastisch: „Zusammen mit den fortschreitenden technologischen Entwicklungen eröffnet uns dieses Teleskop vollkommen neue Möglichkeiten, die faszinierendsten Fragen moderner Astronomie zu erforschen.“ Gleichzeitig sei das Projekt auch der ideale Partner für das in der südlichen Hemisphäre stationierte Radioteleskop ALMA. „Ich bin sicher, dass NOEMA über die nächsten Jahrzehnte hinaus bedeutende Pionierarbeit in der Astrophysik leisten wird“, so Schuster.

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IRAM, das Institut für Radioastronomie im Millimeterwellenlängenbereich, wurde im Jahr 1979 von der deutschen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) gegründet und 1990 durch das spanische Instituto Geografico Nacional (IGN) erweitert. Das Institut mit Sitz in Grenoble betreibt zwei Observatorien: Das 30-Meter-Teleskop auf dem Pico Veleta nahe Granada in Spanien und das Interferometer (sechs 15-Meter-Antennen) auf dem Plateau de Bure in den französischen Hochalpen.

HOR / ZA

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