Blick ins Herz einer Sternexplosion

Max-Planck-Forscher beobachten Gammalinien einer Supernova vom Typ Ia

27. August 2014

Die außergewöhnliche Helligkeit und regelmäßigen Lichtkurven im optischen Spektralbereich machen Supernovae vom Typ Ia zu wertvollen Standardkerzen in der modernen Kosmologie. Allerdings ließen sich diese Sternexplosionen noch nie direkt bei Gammastrahlung nachweisen. Die Analyse beschränkte sich bisher unter anderem auf die äußeren Schichten des Materials, das während einer Supernova ausgeworfen wird. Bei dem Objekt SN2014J, dass dieses Jahr in der Spiralgalaxie M 82 aufleuchtete, gelang Forschern aus den Garchinger Max-Planck-Instituten für Astrophysik und für extraterrestrische Physik zum ersten Mal der Nachweis von Gammalinien. Eine der Studien stellt die gängigen Theorien auf die Probe.

Eine Typ-Ia-Supernova (SNIa) ist offenbar die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergsterns. Hinter einem solchen Objekt verbirgt sich der Überrest eines normalen Sterns wie unserer Sonne, in dessen Innern der Brennstoff zur Kernfusion aufgebraucht ist. Ein Weißer Zwerg besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff und Sauerstoff – der Asche des Wasserstoff- und Heliumbrennens. Ist er Teil eines Doppelsternsystems, kann er von seinem benachbarten Begleiter mit Materie gefüttert werden. Dies führt gelegentlich dazu, dass er förmlich explodiert und als Supernova aufleuchtet.

Im Verlauf dieser Supernova werden Kohlenstoff und Sauerstoff weiter fusioniert und dabei riesige Mengen eines radioaktiven Isotops von Nickel (56Ni) erzeugt. Die anschließende Zerfallskette von Nickel zu Kobalt und schließlich zu Eisen liefert große Mengen an Energie in Form von Gammastrahlen. Diese werden im expandierenden Material, das durch die Explosion ausgestoßen wurde, wieder aufbereitet – also in jene optische Strahlung umgewandelt, welche die Supernova für Monate leuchten lässt. Als Entfernungsanzeiger in der Kosmologie sind diese Supernovae von unschätzbarem Wert.

Trotz vieler Beobachtungen und Simulationen bleibt die detaillierte Physik einer Supernova vom Typ Ia umstritten. Die meisten Modelle sagen unter anderem voraus, dass das ausgeworfene Material in den ersten 10 bis 20 Tagen nach der Explosion für Gammalinien undurchsichtig ist. Später kann dann ein Großteil der Gammastrahlen entkommen, weil die sich ausdehnende Supernova zunehmend transparent wird.

Am 15. Januar 2014 explodierte in der Spiralgalaxie M 82 eine SNIa, die nur wenige Tage später von S. J. Fossey und einem Team von Studenten des University College London entdeckt wurde. In einer Entfernung von etwas mehr als zehn Millionen Lichtjahren ist das die am nächsten gelegene SNIa seit mindestens vier Jahrzehnten.

Daher bot sich eine gute Gelegenheit für Beobachtungen, unter anderem auch mit dem Gammastrahlen-Observatorium INTEGRAL der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Nur zwei Wochen nach dem Aufleuchten von SN2014J entdeckten Forscher um Roland Diehl vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik mit INTEGRAL zwei charakteristische Gammalinien, die den radioaktiven Zerfall von Nickel (56Ni) widerspiegeln. Das radioaktive Material musste sich also nahe der Oberfläche der Explosion befunden haben, sonst hätte das Signal die Supernova nicht durchdringen und man hätte es zu einem derart frühen Zeitpunkt nicht sehen können.

Dieser Befund überraschte die Fachleute. Scheint er doch darauf hinzudeuten, dass die Explosion nicht im Kern des Weißen Zwergs zündete, sondern an seiner Oberfläche. „Das Signal stellte uns vor ein Rätsel“, sagt denn auch Roland Diehl, Hauptautor einer vor kurzem in der Zeitschrift Science erschienenen Studie. „Aber wir konnten keine Fehler finden. Die Gammalinien von 56Ni wurden, wie vom radioaktiven Zerfall erwartet, innerhalb weniger Tage schwächer und kamen eindeutig aus der Richtung der Supernova.“

Diehl und seine Kollegen glauben, dass ihre Beobachtung der 56Ni-Gammastrahlen neue Informationen darüber liefert, wie der Materiefluss von einem Begleitstern einen Weißen Zwerg gleichsam „von außen“ entzünden kann, ohne dass zuerst eine kritische Massengrenze überschritten werden muss.

Auch eine zweite Gruppe nahm SN2014J mit INTEGRAL unter die Lupe: Wissenschaftler um Eugene Churazov vom Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik werteten Beobachtungen 50 bis 100 Tage nach der Explosion aus. Das Team registrierte deutlich die beiden hellsten Gammalinien vom radioaktiven Zerfall eines Isotops von Kobalt (56Co) bei 847 und 1238 Kiloelektronenvolt (keV). Außerdem stimmte auch der Fluss bei niedrigeren Gammastrahlen-Energien (200 bis 400 keV) mit den theoretischen Vorhersagen überein.

„Die Linienflüsse deuten darauf hin, dass eine ungeheure Menge an radioaktivem Nickel bei der Explosion synthetisiert wurde, mehr als die Hälfte der Masse unserer Sonne“, sagt Eugene Churazov, der Hauptautor eines jetzt in Nature erschienenen Beitrags. „Beide beobachteten Gammalinien werden durch den Dopplereffekt eindeutig verbreitert.“

Daraus schließen die Forscher, dass die Wolke aus radioaktivem Material sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 10.000 Kilometern pro Sekunde ausbreitet. Anfangs ist das Material noch so dicht, dass die Gammastrahlen, die vom radioaktiven Zerfall von Nickel zu Kobalt (mit einer typischen Zeitskala von neun Tagen) stammen, einen Großteil ihrer Energie verlieren.

Der anschließende Zerfall von Kobalt zu Eisen dauert viel länger, etwa 111 Tage. Während dieser Zeit wird das ausgestoßene Material zunehmend transparenter, sodass Gammastrahlen mehr und mehr entweichen können und damit die SNIa nach etwa drei Monaten zu einer hellen Quelle von charakteristischen 56Co-Gammastrahlen machen.

Weitere Vergleiche mit mehreren gängigen theoretischen Modellen, die auf exakte Berechnungen der Nukleosynthese-Prozesse bei der Explosion beruhen, zeigen eine gute Übereinstimmung der SN2014J-Daten mit Modellen für SNIa-Explosionen, bei denen ein Weißer Zwerg die kritische Masse erreicht und detoniert. Modelle, bei denen die Masse deutlich kleiner ist sowie reine Detonationsmodelle lassen sich durch diese Beobachtungen bereits ausschließen.

Allerdings steht die oben erwähnte frühe Beobachtung von Gammalinien der Gruppe um Roland Diehl im Widerspruch dazu. Danach wäre die Überschreitung einer Grenzmasse beim Weißen Zwerg nicht notwendig. Die Diskussion dauert an.

HAE / HOR

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