Sterngeburt im Eiltempo

Wissenschaftler beobachten die Kinderstuben massereicher Sonnen in der Galaxis

12. Mai 2014

Astronomen haben die Ebene unserer Milchstraße neu kartiert und dabei eine hohe Anzahl von kalten dichten Klumpen aus Gas und Staub entdeckt, offensichtlich die Geburtsstätten massereicher Sterne. Auf Basis der Karte – sie wurde mit dem Teleskop APEX bei einer Wellenlänge von 0,87 Millimetern gewonnen – hat ein Team unter der Leitung von Timea Csengeri vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie die Zeitskala für die Entstehung von Sternen abgeschätzt. Ergebnis: Der Prozess läuft offenbar sehr schnell ab, mit durchschnittlich nur 75000 Jahren Dauer bilden sich massereiche Sterne in wesentlich kürzerer Zeit als masseärmere.

Sterne mit deutlich größerer Masse als unsere Sonne beenden ihr kurzes und heftiges Leben in gewaltigen Supernova-Explosionen, in denen sie die schweren Elemente im All produzieren. Zuvor senden sie kräftige Sternwinde und energiereiche Strahlung aus. Dadurch beeinflussen sie nicht nur ihre lokale Umgebung, sondern auch das Erscheinungsbild und die künftige Entwicklung der gesamten Galaxie.

Solche Sterne bilden sich in den kältesten Gebieten der Milchstraße – tief im Innern von Staubhüllen, die so dicht sind, dass sie die Strahlung nahezu komplett verschlucken. Darin eingebunden entsteht eine neue Generation von massereichen Sternen. Um die frühesten Stadien der Geburt zu verfolgen, bedarf es jedoch der Beobachtung bei längeren Wellenlängen als jenen im Optischen oder Infraroten.

Hier kommt das 12-Meter-APEX-Teleskop ins Spiel, das im Submillimeterbereich arbeitet. Ein Team von Astronomen hat es zusammen mit der am Max-Planck-Institut für Radioastronomie gebauten Kamera LABOCA dafür eingesetzt, die Geburtsstätten der massereichsten Sterne aufzuspüren. APEX steht in 5100 Meter Höhe auf der Chajnantor-Ebene in der chilenischen Atacama-Wüste, einem der wenigen Orte auf der Erde, welche die Beobachtungen bei Submillimeter-Wellenlängen überhaupt gestatten.

ATLASGAL (APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy) deckt einen Bereich von mehr als 420 Quadratgrad in der galaktischen Ebene und damit 97 Prozent der inneren Milchstraße innerhalb des sogenannten solaren Zirkels ab. Darin sind große Bereiche von allen vier Spiralarmen sowie etwa zwei Drittel des kompletten molekularen Anteils der Galaxis enthalten. Der Datensatz umfasst den überwiegenden Anteil aller Kinderstuben massereicher Sterne. Und er soll außerdem dabei helfen, eine dreidimensionale Karte zu erstellen.

„Unser Team hat aus den ATLASGAL-Daten die umfassendste Stichprobe der bisher versteckten Geburtsstätten von massereichen Sternen erstellt“, sagt Timea Csengeri vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die Erstautorin der Studie. „Wir haben eine ganze Reihe von neuen potenziellen Standorten gefunden, in denen solche Sterne momentan in unserer Milchstraße entstehen.“

Mit diesem umfassenden statistischen Datensatz haben die Forscher gezeigt, dass die Prozesse zum Aufbau der kalten dichten Wolken, in denen die massereichsten Sterne geboren werden, außerordentlich schnell ablaufen müssen – und zwar in einem Zeitraum von nur 75000 Jahren. Das ist wesentlich kürzer als die entsprechenden Zeitskalen bei der Entstehung von masseärmeren Sternen wie etwa unserer Sonne.

„Das kurze und heftige Leben der massereichsten Sterne war schon vorher bekannt. Aber nun konnten wir zeigen, dass es auch von einer entsprechend kurzen Entstehungsphase innerhalb ihrer Geburtshüllen eingeläutet wird“, sagt Max-Planck-Astronom James Urquhart. Tatsächlich leben masseärmere, sonnenähnliche Sterne rund 1000-mal länger als massereiche. Und die neuen Ergebnisse zeigen, dass sich die massereichen Sterne auch auf sehr kurzer Zeitskala in einem wesentlich dynamischeren Entstehungsprozess bilden.

Nach den Worten von Friedrich Wyrowski liefert ATLASGAL zudem Aufsuchkarten mit Daten für die extremsten Staubhüllen: „Die im Innern dieser Staubhüllen ablaufenden Prozesse lassen sich dann bei wesentlich höherer Winkelauflösung mit dem neuen ALMA-Teleskopnetzwerk untersuchen“, sagt der APEX-Projektwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie über zukünftige Projekte.

HOR / NJ

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