Jugendliche haben großes Vertrauen in die Polizei

Studie ergibt kaum Hinweise auf ethnische Diskriminierungen

Angesichts gewaltsamer Jugendproteste gegen die Polizei in Frankreich, England und zuletzt 2013 auch in Schweden stellt sich immer wieder die Frage, ob Jugendliche mit Migrationshintergrund und vielfältigen sozialen Benachteiligungen auch in deutschen Großstädten ein ähnliches Gewaltpotenzial aufgestaut haben, das sich plötzlich entladen könnte. In dem ländervergleichenden Projekt POLIS haben zwei Forscherteams des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg und des Institut d’études politiques de Grenoble das Verhältnis zwischen Polizei und Jugendlichen in deutschen und französischen Großstädten vergleichend untersucht. Sie konnten ein sehr positives Bild des Verhältnisses zwischen Jugendlichen und Polizei feststellen.

Auch fast zehn Jahre nach den Unruhen in den französischen Vorstädten, auf deren Höhepunkt sogar Todesopfer unter den Jugendlichen zu beklagen waren, sind die Ereignisse in den Köpfen vieler Menschen noch präsent. Auch in Deutschland erfuhren die Krawalle damals großes öffentliches Interesse. Zwar blieben vergleichbare Vorfälle hierzulande aus, dennoch stellt sich die Frage, ob solche Ausschreitungen grundsätztlich auch in deutschen Städten zu befürchten sind. Die Frage führt ferner direkt zu der Suche nach den Ursachen kollektiver Gewalt.

Dabei gerät auch zunehmend das Thema Polizei und Migration ins Blickfeld. Sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland stellen Jugendliche mit Migrationshintergrund mittlerweile einen bedeutenden Bevölkerungsanteil. Neben der sozialen Benachteiligung und mangelnden Integration von Migranten zählt das Verhältnis von Polizei und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu einem potenziellen Konfliktfeld multiethnischer Stadtgesellschaften. Hier setzt das vor fast fünf Jahren gestartete Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht mit dem Titel "Polizei und Jugendliche in multiethnischen Gesellschaften (POLIS)" an. Es untersuchte die Interaktionen und wechselseitige Wahrnehmung von Polizei und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Frankreich und Deutschland. Die Ergebnisse der deutschen Teilstudie werden jetzt veröffentlicht und am 12. Mai 2014 in einem Vortrag auf dem Deutschen Präventionstag in Karlsruhe vorgestellt.

Spielt die Qualität der Beziehungen zwischen Jugendlichen und Polizei wirklich eine Rolle?

Die Interaktionen und wechselseitigen Wahrnehmungen zwischen Polizei und Jugendlichen (mit Migrationshintergrund) sowie Art und Ausmaß des Auftretens der Polizei in benachteiligten Stadtteilen sind ein wesentliches Element in der Untersuchung der Ursachen kollektiver Jugendgewalt. Der internationale Vergleich ermöglicht es, die Varianz der makrostrukturellen Bedingungen herzustellen, die einerseits das Verhalten Jugendlicher (soziale, ökonomische und ethnische Bedingungen) und andererseits das Verhalten der Polizei (institutionelle und organisatorische Bedingungen) determinieren. Wenn angesichts einer vergleichbaren sozialen Benachteiligung ganzer Bevölkerungsgruppen einige Länder durch Jugendunruhen erschüttert werden, andere aber nicht, so könnte die Qualität der Beziehungen zwischen Polizei und Jugendlichen (mit Migrationshintergrund) diesbezüglich das fehlende Glied in der Erklärung sein. Eine andere Erklärung wäre der in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägte Grad der sozialen Exklusion von Migranten.

Die Ergebnisse der deutschen Befragung, an der in den Jahren 2011 und 2012 in Köln und Mannheim rund 7.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben, zeigen insgesamt ein positives Bild des Verhältnisses zwischen Jugendlichen und der Polizei. Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat – unabhängig vom Migrationshintergrund – eine positive Einstellung zur Polizei. Dreiviertel der Befragten vertrauen der Polizei, nur eine kleine Minderheit würde sich an gewaltsamen Protesten beteiligen.

Jugendliche mit Migrationshintergrund weniger im Visier

Außerdem zeigte sich, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht häufiger, sondern sogar etwas seltener von der Polizei angesprochen und kontrolliert werden als einheimische, deutsche Jugendliche. Dies spricht eindeutig gegen die Annahme einer ethnisch diskriminierenden Kontrollpraxis, wie sie dagegen in Frankreich nachweisbar ist.

Auch die Qualität der Polizeikontakte wird von der Mehrheit der Jugendlichen positiv bewertet. Allerdings gibt es auch eine erhebliche Zahl von Jugendlichen – rund ein Drittel der Befragten mit Polizeikontakten –, die das Gefühl hatten, von den Polizeibeamten nicht fair und respektvoll behandelt worden zu sein. Darüber hinaus sind eigene Wahrnehmungen und Erzählungen von respektloser Behandlung durch Polizisten besonders unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund recht häufig. Trotz des insgesamt positiven Bildes bleibt daher die Frage aktuell, wie sich die Polizei auf die Entwicklung Deutschlands zu einer multiethnischen Gesellschaft einstellen kann.

SB

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