Sozial auffällige Jugendliche können sich schlechter in andere hineinversetzen

Studie untersucht Hirnaktivität bei sozialen Interaktionen

11. März 2014

Jugendliche mit antisozialen Persönlichkeitsstörungen schädigen mit ihrem normverletzenden Verhalten sich und andere. Über die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen weiß man bislang nur wenig. Wissenschaftler der Universität Leiden und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung haben eine mögliche Erklärung gefunden: Hirnregionen, die für die soziale Informationsverarbeitung und Impulskontrolle zuständig sind, sind bei ihnen weniger stark entwickelt.

Im Fokus der Studie standen straffällig gewordene Jugendliche aus den Niederlanden, bei denen eine antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden war. Die Wissenschaftler ließen die 15- bis 21-Jährigen, die zum Zeitpunkt der Studie im Gefängnis oder der Jugendstrafanstalt saßen, das sogenannte Mini-Ultimatum-Spiel spielen. Bei dem Kooperationsspiel, das Fairnessüberlegungen simuliert, unterbreitet ein Gegenspieler dem Probanden ein Geldangebot, das er annehmen oder ablehnen kann. Bei der Entscheidung hilft die Information, welches möglicherweise fairere Angebot dem Gegenspieler noch zur Auswahl stand oder ob dieser keine Alternative hatte. Mit Hilfe des Magnetresonanztomografen (MRT) wurde die Hirnaktivität während des Spiels gemessen.

Nein zu unfairen Angeboten

Durch dieses bildgebende Verfahren sowie durch den Vergleich der Ergebnisse mit denen einer sozial unauffälligen Kontrollgruppe, konnten die Wissenschaftler genau ausmachen, was im Gehirn der Probanden bei Fairnessüberlegungen abläuft. So wiesen die straffälligen Jugendlichen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Hirnaktivität im Übergangsbereich zwischen Temporal- und Parietallappen sowie in der unteren Hirnwindung des Frontallappens auf. Diese Hirnareale sind unter anderem zuständig für die Fähigkeit sich in andere hineinzudenken sowie für die Impulskontrolle. Bei beiden Gruppen verzeichneten die Wissenschaftler ähnliche Aktivierungsniveaus im dorsalen anteriorem cingulären Kortex sowie in der vorderen Inselrinde – allesamt Hirnareale, die mit emotionalen Prozessen in Verbindung gebracht werden. Obwohl beide Gruppen zwar emotional gleich stark auf faire und unfaire Angebote reagierten, lehnten die straffällig gewordenden Jugendlichen unfaire Angebote häufiger ab. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe zogen sie nämlich nicht in Betracht, welche Intention der Gegenspieler verfolgte und ob dieser womöglich gar keine andere Wahl hatte.

Wie denken andere?

Sozial auffällige Jugendliche scheinen also Schwierigkeiten zu haben, sich in andere hineinzuversetzen und alle relevanten Umweltinformationen – wie beispielsweise die Absichten anderer – in sozialen Interaktionen zu berücksichtigen. Dies wiederum kann zu antisozialen Verhaltensweisen führen, so die These der Wissenschaftler. „Die Jugend ist durch vielfältige körperliche, neurologische und soziale Veränderungen gekennzeichnet. Durch die Studie unter Jugendlichen haben wir die Chance, besser zu verstehen, was in dieser sensiblen Phase passiert und wie es zu Fehlentwicklungen, also zur Ausbildung antisozialer Verhaltensweisen kommt“, sagt Erstautor der Studie Wouter van den Bos, der am Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin arbeitet. Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung von psychotherapeutischen Maßnahmen.

Zur Redakteursansicht