Rezept für neue Medikamente

3. Februar 2014

Im 20. Jahrhundert hat die Pharmaindustrie, zumal in Deutschland, die Entwicklung neuer Wirkstoffe entscheidend vorangetrieben. Aber in jüngerer Zeit wurde, nicht zuletzt aus Kostengründen die Forschung deutlich zurückgeschraubt. Dabei brauchen wir dringend neue Wirkstoffe gegen Krebs, Demenz und viele weitere Krankheiten. In den Entwicklungsländern ist das Problem existenziell. Unser Autor plädiert für ein radikales Umdenken – und die Einbeziehung der Grundlagenforschung.

Text: Peter H. Seeberger

Die Lebenserwartung in Deutschland hat sich seit 1900 fast verdoppelt und ist allein zwischen 1960 und 2008 von 70 auf 80 Jahre gestiegen. Verbesserte Hygiene und Ernährung hatten an dieser Entwicklung einen sehr großen Anteil. Ein weiterer Grund ist sicher die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Immer neue Medikamente haben uns die Angst genommen, an ehemals tödlichen Krankheiten wie bakteriellen Infektionen zu sterben. Impfstoffe verhindern, dass wir an viralen und bakteriellen Krankheiten wie Polio erkranken. Selbst bis vor Kurzem noch tödliche Erkrankungen wie HIV bedeuten heute zumindest kein Todesurteil mehr.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die pharmazeutische Industrie die Entwicklung der verschiedenen Wirkstoffe vorangetrieben. In dieser Zeit erwarb sich Deutschland wegen vieler Arzneientwicklungen den Titel „Apotheke der Welt“ und wurde zum Vorbild für diese Branche in vielen anderen Ländern. Wenn man bedenkt, was die Produkte der Pharmaindustrie zum Wohl der Bevölkerung insgesamt beigetragen haben, dann mag es verwundern, wie wenig Sympathie dieser Industriezweig genießt. In Umfragen erreichen etwa die Automobilhersteller ein weit besseres Ansehen.

Die Pharmaindustrie gilt als reich, mächtig und intrigant. An diesem Ruf ist die Branche nicht völlig schuldlos. Es ist sicher richtig, Verfehlungen anzuprangern und zukünftigen Fehlentwicklungen vorzubeugen. Dabei darf die Kritik an Bayer, Sanofi und anderen jedoch nicht dazu führen, die Gesamtsituation aus den Augen zu verlieren. Denn die Entwicklung der Branche muss uns Sorgen machen.

Weltweit steckt die Pharmabranche in einer massiven Krise, die seit einem Jahrzehnt anhält. Während die Pharmariesen noch immer große Gewinne einfahren, kannibalisieren sie ihre wissenschaftliche Substanz zunehmend. Natürlich muss man sich fragen, ob das Wohl sehr rentabler Firmen wirklich gesellschaftlich von Belang ist. Gleichzeitig aber stockt die Arbeit an neuen Medikamenten und Impfstoffen – eine Situation, die für die Allgemeinheit besorgniserregend ist.

Das Problem beginnt damit, dass die Entwicklung neuer Medikamente immer riskanter und damit teurer wird. Heute betragen die entsprechenden Kosten pro Medikament oder Impfstoff zwischen 500 Millionen und 1,3 Milliarden Euro. Die Kostenexplosion hat viele Gründe. Einerseits sind die „einfachen“ Medikamente bereits auf dem Markt, andererseits verkompliziert der wissenschaftliche Fortschritt die Entwicklung der Medikamente. Und die Regulationsbehörden kontrollieren mit verbesserten Analysemethoden dementsprechend mehr.

Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Firmenpolitik: Pharmaunternehmen konzentrieren sich derzeit auf die Entwicklung von blockbuster drugs; so werden Medikamente bezeichnet, die mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr einbringen, meist deshalb, weil sie eine sehr häufige Krankheit in reichen Industrieländern lindern oder heilen. Nur noch mit solchen Wirkstoffen können die Firmen innerhalb weniger Jahre – bis zum Erlöschen des Patentschutzes – satte Renditen erzielen. Beliebt ist die Umwandlung tödlicher in chronische Krankheiten, denn die Patienten sind dann gezwungen, dauerhaft ein bestimmtes Medikament einzunehmen.

Krankheiten wie Malaria, an denen vor allem Menschen in Schwellen- oder Entwicklungsländern leiden und sterben, sind für die Pharmaindustrie aus Kostengründen unattraktiv. Ebenso übrigens wie die Vermarktung teurer Medikamente in Ländern mit geringer Kaufkraft – was dazu führt, dass viele wichtige Wirkstoffe in Entwicklungsländern für die meisten Menschen unerschwinglich bleiben.

Eine oft geforderte (und in Indien staatlich durchgesetzte) Lösung ist: bestehende Patente aufheben und die Hersteller billiger Nachahmerpräparate, sogenannter Generika, fördern. Aus Sicht etwa der indischen Regierung lässt sich dieses Vorgehen völlig nachvollziehen. Und es ist kurzfristig sehr effektiv. Allerdings: Die Pharmafirmen der Industrieländer werden sich künftig noch weniger an kostspielige Forschung heranwagen, wenn sie danach mancherorts enteignet werden. Denn noch haben die Schwellenländer keine innovativen Pharmafirmen hervorgebracht, die neue Medikamente entwickeln, um die Gesundheitsprobleme der Region zu lösen. Es gibt Hoffnung, dass sich diese Situation irgendwann ändert. Aber momentan ist noch nichts außer Nachahmerpräparaten in Sicht – und oft nicht einmal das.

Ein Beispiel für die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern sind die Krebspharmazeutika. In Europa ist derzeit jedes dritte Mittel, das neu auf den Markt kommt, ein Krebsmedikament. „Neu“ ist dabei nicht immer deutlich besser, sondern bedeutet oft nur eine minimale Veränderung im Vergleich zu bisherigen Wirkstoffen. In Deutschland gibt es jährlich etwa eine halbe Million Krebskranke, deren medikamentöse Behandlung mit diesen neuen Mitteln jeweils etwa 80.000 Euro pro Jahr kostet.

Der Grund für diese erstaunliche Menge an neuen Medikamenten – nach Schätzungen sind etwa 600 bis 800 in der Entwicklung – sind nicht etwa die Zunahme von Krebserkrankungen oder verbesserte Behandlungsmethoden, sondern schlicht der Markt. Er ist das Regulativ, das die Medikamentenforschung, -versorgung und -produktion steuert. Krebsmedikamente machen nur zwei Prozent der verschriebenen Pharmazeutika aus, aber ein Viertel der Medikamentenkosten der Krankenkassen entstehen durch Krebsmedikamente. Aus diesem Grund gibt es viele neue Medikamente, auch wenn diese oft keinen grundlegenden Behandlungsfortschritt bedeuten.

Das genau gegenteilige Bild bietet sich in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Wie in den Industriestaaten sind auch dort Brust- und Gebärmutterhalskrebs die häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. In den Industrieländern gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente. In Afrika dagegen bedeuten sie ein sicheres Todesurteil. Nach einer Diagnose, wenn es sie denn gibt, leben die Kranken im Durchschnitt noch etwa vier Monate – ohne jede Behandlung. Die Krebsmedikamente der Industriestaaten können sich nur die wenigsten Patienten in den afrikanischen Ländern leisten.

Ähnliches gilt für China und Vietnam, wo die Menschen aufgrund verbesserter Lebensbedingungen und Gesundheitsversorgung immer älter werden und dadurch die Anzahl der Krebserkrankungen stark ansteigt. Auch in diesem Fall reguliert der Markt die Menge der Pharmazeutika. Da sich so gut wie niemand die teuren Arzneien der Industrieländer leisten kann und es auch keine Krankenkassen gibt, werden dort kaum Krebsmedikamente angeboten. 

Die Vorstellung, der Markt regele alles, ist also gleichzeitig richtig und falsch. Der Markt ist tatsächlich das Regulativ, aber diese Art der Regelung ist aus einer übergeordneten systemischen Sicht nicht immer sinnvoll. In den Entwicklungs- und Schwellenländern wäre eine Minimalversorgung mit Krebsmedikamenten äußerst sinnvoll, aber dazu müsste es neue, extrem billige Krebsmedikamente geben. Und die werden von den Pharmafirmen der Industrieländer nicht erforscht, weil billige Medikamente keine hohen Profitmargen haben.

Malariamedikamente, die aus dem aus einer Pflanze extrahierten Wirkstoff Artemisinin hergestellt werden, wirken auch gegen Krebs. Eine Artemisininbehandlung gegen Malaria kostet etwa einen Euro. Klinische Studien zeigen seit mehr als zehn Jahren, dass Artemisinin gegen viele Krebsarten ähnlich wirksam ist wie heutige Krebsmedikamente.

Aber kein pharmazeutisches Unternehmen macht sich an die Zulassung von Artemisininderivaten als Krebsmittel, weil der Hersteller die hohen Kosten für die klinischen Zulassungsphasen zu tragen hätte, letztlich aber kein wirksames Patent anmelden könnte. Denn der Wirkstoff ist bereits als Malariamedikament zugelassen.

So behindert die marktwirtschaftliche Logik die Erforschung und Zulassung eines massentauglichen Krebsmedikaments für Afrika, Asien – und letztlich auch für die Industriestaaten.

Diese Fehlsteuerung ist nicht das Ergebnis finsterer Machenschaften böser Menschen in gierigen Pharmafirmen. Aber solche Missstände achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen ist sicher nicht genug. Hier ist die politische und wissenschaftliche Intelligenz aufgerufen, innovative Lösungsansätze zu präsentieren. Eine Erkenntnis ist vielleicht, dass es für unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen ganz verschiedene Lösungsansätze braucht. „Die“ Pharmaindustrie mit einheitlicher Forschung für die ganze Welt ist vermutlich nicht die beste Lösung.

Zurück zur Situation in den Industriestaaten. Als weiterer Effekt der hohen Entwicklungskosten, gepaart mit dem Druck der Finanzmärkte, lässt sich ein Konsolidierungskurs beobachten. Um Synergien zu nutzen, sind immer größere Pharmaunternehmen entstanden: Bayer etwa schluckte die Schering AG, Sanofi und Aventis fusionierten, wobei Aventis selbst aus der Fusion von Hoechst und Rhône-Poulenc hervorgegangen war. Und mit der Größe der Konglomerate und ihrer Börsenwerte stieg auch in der Pharmaindustrie die Bedeutung des Shareholder Value.

Viele Firmen wurden daher mit Blick auf die Bilanzen optimiert: Wirtschaftlich gesehen, ist zum Beispiel die Forschung an neuen Medikamenten ein Risiko, das minimiert werden muss. Etwa, indem man fast alle Teile der Wertschöpfungskette solcher Entwicklungen in Billiglohnländer verlagert. Ja, das war kostensparend und – ein Pyrrhussieg! Denn es bedeutete auch einen massiven Verlust hoch qualifizierter Mitarbeiter in den Industrieländern.

Freilich: Einschnitte in den Forschungsetats, etwa die Schließung von Zentrallabors, fallen kurzfristig am wenigsten auf. Langfristig ist diese Strategie aber existenzbedrohend. Seit einiger Zeit haben Firmen wie Pfizer keine eigenen neuen Medikamente mehr auf den Markt gebracht, sondern ausschließlich von Zukäufen gelebt, weil ihre Entwicklungspipelines leer waren. Von nichts kommt nichts. Und ein Pharmaunternehmen sollte idealerweise mehr sein als eine Bank mit Entwicklungsabteilung.

Dass viele Pharmafirmen heute noch hohe Umsätze haben, liegt vor allem daran, dass sie sich erfolgreiche Produkte durch die Übernahme anderer Firmen einverleiben. Das täuscht über den großen Trend hinweg: Die Perspektive der ganzen Branche ist geradezu prekär. In Deutschland schließt die „Apotheke der Welt“, Generika werden billig im Ausland produziert, und Zehntausende hoch qualifizierter Arbeitsplätze sind auch in Europa und den USA bereits verloren gegangen – etwa bei Merck, Pfizer, AstraZeneca und fast allen anderen Pharmafirmen. 

Das Management der meisten großen Pharmaunternehmen hat natürlich die immensen Herausforderungen erkannt und versucht gegenzusteuern, um auch auf Dauer profitabel zu arbeiten. Doch die Begleitumstände sind alles andere als einfach: Neue Medikamente mit hohen Umsätzen zu entwickeln und gleichzeitig die Erwartungen der Finanzmärkte zu befriedigen ist extrem schwierig; das jedenfalls zeigen diverse fehlgeschlagene Versuche im vergangenen Jahrzehnt. Dabei tendieren die Pharmariesen zu einer Art Herdentrieb, gewissen Modeerscheinungen zu folgen.

So wurden in der vergangenen Dekade von mehreren Firmen Milliardenbeträge in die RNAi Technologie investiert, die nach großen anfänglichen Hoffnungen keine Erfolge brachte. Oftmals aber feiern Produkte, an die man wenige Erwartungen geknüpft hat, immense kommerzielle Erfolge. Während bis ins Jahr 2000 die Regel galt, dass Impfstoffe zwar für Volkswirtschaften ein effektives Mittel seien, aber nur wenig Gewinne einbringen könnten, änderte sich das Denken mit Jahresumsätzen von ungefähr fünf Milliarden US-Dollar für den Pneumokokkenimpfstoff Prevenar durch Pfizer (entwickelt von Wyeth). Plötzlich sind auch Impfstoffe kommerziell interessante Produkte, wenn sie eine zahlungskräftige Kundschaft ansprechen. In den vergangenen fünf Jahren wurden mehrere Impfstofffirmen von größeren Pharmaunternehmen aufgekauft.

Derzeit wird versucht, die eigene Forschung möglichst zu verkleinern, um Kosten und Risiken gering zu halten. Die Entdeckung neuartiger Therapie- und Diagnostikkonzepte soll an Forschungseinrichtungen und in kleinen Unternehmen stattfinden. Der Plan besteht darin, vielversprechende Verbindungen und Techniken einzukaufen, wenn die Risiken überschaubarer sind. Dann ist der Preis zwar höher, aber die Pharmaunternehmen können ihre Stärken ausspielen: Erfahrung in der klinischen Untersuchung und der Entwicklung – nicht mehr der Entdeckung! – von Medikamenten.

Die immensen Kosten der späten Entwicklungsphase können nur große und finanzkräftige Unternehmen tragen. Das Risiko dieses Ansatzes sind natürlich die fehlende Kontrolle über die frühe Entwicklungsphase und die Gefahr, im Rahmen der Konkurrenz um die besten Projekte zu viel zu bezahlen.

Dabei besteht dringender Handlungsbedarf: Wir brauchen essenziell neue Wirkstoffe gegen Krebs, Demenz und viele weitere Krankheiten. In den Entwicklungsländern ist das Problem existenziell. Dort werden vor allem Impfstoffe gegen Malaria, HIV/Aids und bakterielle Infektionskrankheiten benötigt. Es ist längst eine Binsenweisheit, dass ein gutes Gesundheitswesen wirksam gegen Überbevölkerung hilft – ganz anders, als Zyniker vermuten.

Privatinitiativen wie die Bill & Melinda Gates Foundation sind ein erfolgversprechender Ansatz. Ihre Förderung bietet einen Anreiz für Unternehmen, an Medikamenten zu arbeiten, die ohne die Förderung nie entwickelt würden. Aber ein solches privates Mäzenatentum genügt nicht, um das Grundproblem zu lösen: Das derzeit praktizierte marktwirtschaftlich getriebene Modell der Wirkstoffentwicklung ist das beste, das ich kenne – aber es ist nicht gut genug.

Wir alle werden radikal umdenken müssen: Das Ziel der Gewinnmaximierung muss von dem der „Gesundheitsmaximierung“ abgelöst werden. Dann würden wir Wirkstoffe ganz anders entwickeln. An Expertenwissen in Firmen und Forschungsinstituten mangelt es jedenfalls nicht. Allein meine Max-Planck-Arbeitsgruppe entwickelt zurzeit fünf neue Impfstoffe, auch gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten, die noch immer Hunderttausende Menschenleben fordern. Die Grundlagenforschung und auch die angewandte akademische Biomedizinforschung in den westlichen Industrieländern sind stark wie nie zuvor.

Gleichzeitig haben die (noch) bestehenden Pharmafirmen (noch) große Erfahrung darin, neue Produkte durch die Testphasen zur Marktreife zu bringen. Es fehlt auch nicht an Anstrengungen, das von Experten so genannte Tal des Todes zwischen akademischer Forschung und industrieller Entwicklung zu überbrücken. Aber die Erfolge bleiben überschaubar, weil die Marktstrukturen nicht passen. Es stellt sich also die Frage, mit welchen politischen Werkzeugen die Anreize neu und besser gesetzt werden können.

Ich propagiere nicht, dass ein staatliches Organ die Medikamentenentwicklung steuern soll. Es muss aber eine größere gesellschaftliche Teilhabe an der Entwicklung von Medikamenten geben. Pharmafirmen müssen in Zukunft eine finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von Wirkstoffen gegen die kleineren Krankheiten bekommen können. Vielleicht brauchen wir Finanzierungsmodelle durch öffentliche Fonds oder staatlich garantierte Anleihen. Die Steuerzahler müssten dann aber nicht nur am Risiko, sondern auch an den Gewinnen beteiligt werden.

Genug Geld ist ja anscheinend vorhanden! Die Steuern, die für die Rettung einer einzigen Bank ausgegeben wurden, hätten gereicht, um zehn oder mehr neue Impfstoffe zu entwickeln, die Hunderttausenden Menschen das Leben hätten retten können. Und gleichzeitig hätten sie einen Innovationsschub für viele hoch qualifizierte Jobs geschaffen.

Was kann die Max-Planck Gesellschaft beitragen? Unsere Aufgabe ist es, absolute Spitzenforschung im Bereich der Grundlagenforschung zu erbringen – und nicht, gezielt nach praktischen Lösungen für die Misere im Arzneimittelsektor zu suchen. Wirklich grundlegende Durchbrüche im chemischen, biologischen und medizinischen Bereich bringen aber oft komplett neue Ansätze zu Diagnostika, Impf- und Wirkstoffen mit sich. Während diese Art der Forschung nicht zielgerichtet maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Probleme liefert, sind die fundamentalen Fortschritte von umso größerer Tragweite.

Ein Wissen um mögliche Anwendungen und aktuelle Herausforderungen durch den aktiven Diskurs mit der Industrie sowie die Bereitschaft, aus der Wissenschaft auch eine Anwendung werden zu lassen, zwingt uns oft aus unserer wissenschaftlichen „Komfortzone“. Es gibt bereits einige wenige Ansätze, systematisch Ergebnisse der Grundlagenforschung in unserer Gesellschaft weiterzuentwickeln, um sie in eine Anwendung zu überführen.

Weitere Anstrengungen von beiden Seiten – der Max-Planck-Gesellschaft und der Pharmaindustrie – werden benötigt, um als faire Partner das meiste aus den Erfindungen zu machen. Max-Planck-Forscher sind keine billige „verlängerte Werkbank“ oder Ideenquelle, die durch Steuerzahlung abgegolten ist. Es müssen faire und effektive Wege gefunden werden, um die verbesserte Vernetzung von Wissen und Anwendung so zu organisieren, dass am Ende die Gesellschaft als Ganzes und nicht einige wenige profitieren.

Grundlagenforschung an Max-Planck-Instituten hat zu wichtigen Produkten geführt, auch in der Gesundheitswirtschaft. Allzu oft ist das aber kaum bekannt. Ich würde mir eine Zukunft wünschen, in der Max-Planck-Forscher neue Lösungsansätze erdenken und durch ein gesteigertes Problembewusstsein diese auch in Grundzügen umsetzen. Damit können wir der Gesellschaft einen return of investment bescheren, der weit über den monetären Wert der Förderung hinausgeht.

Das Thema neue Wirkstoffe muss auf die gesellschaftliche Agenda! Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, das Überleben einer nur scheinbar boomenden Pharmabranche zu sichern. Und die Pharmaindustrie muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass es mehr Werte gibt als den von Aktien.

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