Schwarzes Loch beleuchtet kosmisches Netz

Astronomen gelingt erstmals direkte Aufnahme der großräumigen Filamentstrukturen im All

19. Januar 2014
Den gängigen Vorstellungen der Kosmologen zufolge bildet die Materie im Weltall auf riesigen Größenskalen ein verzweigtes Netz von Filamenten aus Gas. Die große Mehrheit der Wasserstoffatome sind seit dem Urknall ein Teil dieses weitgehend unveränderten kosmischen Netzwerks. Jetzt ist Forschern der University of California at Santa Cruz und des Max-Planck-Instituts für Astronomie erstmals eine Aufnahme dieser Filamentstruktur gelungen. Sie nutzten dafür die intensive Strahlung, die ein supermassereiches schwarzes Loch in einem Quasar erzeugt.

Computersimulationen sagen vorher, dass die meisten Atome im Universum auf Größenskalen von Hunderten Millionen Lichtjahren und mehr eine Art Netzwerk aus Wasserstoffgas bilden – mit Filamenten, die an Knotenpunkten miteinander verbunden sind. Galaxien wie unsere Milchstraße entstehen diesem Modell zufolge an genau solchen Knotenpunkten; Wasserstoffgas, das entlang der Filamente auf eine Galaxie fällt, ist eine wichtige Zutat für die Bildung neuer Sterne in solchen Galaxien.

Direkt überprüfen ließ sich diese Vorstellung von der großräumigen Struktur des Kosmos allerdings bisher nicht: Selbst an den dichtesten Knotenpunkten ist das Wasserstoffgas so extrem verdünnt, dass es kaum Licht aussendet und sich sogar mit den größten derzeit verfügbaren Teleskopen nicht nachweisen lässt.

Jetzt haben Astronomen erstmals ein direktes Bild eines Teilgebiets des kosmischen Netzwerks aufgenommen. Sie nutzten dabei den Umstand, dass sogenannte Quasare wie kosmische Scheinwerfer wirken und nahegelegene Gaswolken anstrahlen können. Das Kerngebiet einer Galaxie kann zwischenzeitlich zu einem Quasar werden, wenn Materie auf das zentrale, supermassereiche schwarze Loch der Galaxie fällt und dabei gewaltige Energien freisetzt.

Die Wirtsgalaxie des Quasars sitzt – wie andere größere Milchstraßensysteme auch – an einem der Knoten des kosmischen Netzwerks, und der Quasar kann somit die direkt umliegenden Gasfilamente anstrahlen.

Dabei kommt es zum selben Effekt, der auch das Gas in einer Leuchtstoffröhre zum Leuchten anregt: zur Fluoreszenz. Bei einer Leuchtstofflampe liefert der elektrische Strom die zur Anregung nötige Energie. In diesem astronomischen Beispiel ist es das intensive Licht des Quasars UM 287.

„Das Licht eines solchen Quasars gleicht dem Strahl eines Scheinwerfers. In unserem Falle haben wir das Glück, dass dieser Scheinwerfer direkt auf ein Filament des kosmischen Netzwerks gerichtet ist und dessen Gas zum Leuchten bringt”, sagt Sebastiano Cantalupo, Forscher an der University of California/Santa Cruz und Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie. Mithilfe des Zehn-Meter-Keck I-Teleskops auf Hawaii und einem speziell angefertigten Filter konnten die Astronomen ein Bild des fluoreszierenden Gases aufnehmen. Dessen Licht erreicht uns in einem ganz bestimmten, eng begrenzten Bereich des elektromagnetischen Spektrums – und der Filter lässt genau diese Art von Licht durch.

Das Wasserstoffgas in den praktisch leeren Weiten zwischen den Galaxien haben Astronomen bereits seit Jahrzehnten auf eine andere, indirekte Weise untersucht. Diese Messung erlaubte es allerdings nur, Eigenschaften desjenigen kosmischen Gases zu bestimmen, das sich entlang der Verbindungslinie zwischen einem fernen Hintergrund-Quasar und dem irdischen Beobachter befand.

Solch ein eindimensionaler Ausschnitt reicht bei Weitem nicht aus, um die gesamte dreidimensionale Struktur des Netzwerks sichtbar zu machen. „Zum ersten Mal ist es gelungen, ein Bild des kosmischen Netzes aufzunehmen, das dessen Filamentstruktur zeigt”, sagt Fabrizio Arrigoni Battaia, ein an der Forschung beteiligter Doktorand am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie. Der Ausschnitt auf dem Bild misst im Durchmesser rund zwei Millionen Lichtjahre.

Mithilfe solcher Beobachtungen lassen sich die Ergebnisse von Supercomputer-Simulationen testen, mit denen Kosmologen die Entstehung großräumiger Strukturen im Universum nachvollziehen. Tatsächlich gibt bereits die hier beschriebene Studie Hinweise darauf, dass diesen Simulationen offenbar wichtige Elemente fehlen: So lässt sich aufgrund der Beobachtungen der Gehalt des kosmischen Netzwerks an kühlem Gas abschätzen – und das Ergebnis liegt deutlich über den Vorhersagen der Simulationen!

„Wenn man verstehen will, wie Galaxien geboren werden, dann muss man wissen, welches Rohmaterial sie für die Sternentstehung zur Verfügung haben – und dieses Rohmaterial beziehen die Galaxien aus dem riesigen kosmischen Netz aus Gasfilamenten“, sagt Joseph Hennawi, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie und an der Studie beteiligt.

Die neuen Beobachtungen stellen das Verständnis in dieser Hinsicht durchaus auf die Probe: Sie legen nahe, dass eine Menge des Gases in Form kleiner, dichter Einzelwolken vorliegt – ein Umstand, den die Modelle derzeit noch nicht berücksichtigen. „Wenn wir hier Klarheit schaffen können, verspricht das wichtige Erkenntnisse über die Galaxienevolution”, sagt Hennawi.

MP / HOR

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