Arbeitsteilung im Reagenzglas

Bakterien wachsen schneller, wenn sie sich gegenseitig Nährstoffe zur Verfügung stellen

2. Dezember 2013

Arbeitsteilung ist effektiver als sich ohne fremde Hilfe durchs Leben zu kämpfen – das gilt auch für Kleinstlebewesen. Dies haben Forscher der Forschungsgruppe Experimentelle Ökologie und Evolution vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena, zusammen mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität mit auf Mikroben basierenden Modellversuchen herausgefunden. Die Wissenschaftler experimentierten mit Bakterien, die wegen des Ausfalls der Produktion einer bestimmten Aminosäure auf einen Partner angewiesen waren, der ihnen den fehlenden Nährstoff zur Verfügung stellte. Stämme, die sich bei der Biosynthese jeweils einer Aminosäure wechselseitig ergänzten, zeigten eine rund 20 prozentige Steigerung ihrer Fitness verglichen mit einem Stamm, der zwar ohne fremde Hilfe auskam, dafür aber ohne Partner lebte. Dieses Ergebnis erklärt, warum Kooperation als Erfolgsmodell in der Natur so weit verbreitet ist.

Jede Lebensform auf unserem Planeten muss sich an ihre Umweltbedingungen optimal anpassen. Neben Klimabedingungen und Nahrungsangebot gehören dazu insbesondere auch andere Lebewesen, die an einem Standort vorkommen − mit diesen gilt es, auszukommen. Im Laufe der Evolution passen sich die Arten kontinuierlich an ihre jeweiligen Umweltbedingungen an, wodurch sich auch ihre individuelle Gen-Ausstattung entsprechend ändert. So entstanden an den Polen kälteresistente und in den Wüsten hitzeresistente Arten. Auch Stoffwechselregulation und Nahrungsverwertung unterliegen der Evolution − hier lohnt sich ein Blick in die Welt der Mikroben

 „Egal, wo man hinschaut: Überall gibt es mikrobielle Lebensgemeinschaften, die an ein und demselben Standort miteinander leben“, so Christian Kost, Leiter der Forschungsgruppe „Experimentelle Ökologie und Evolution“ am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. Mikroben leben oft in Symbiose mit höheren Organismen, aber auch untereinander kooperieren sie, um die Ressourcen eines Standortes optimal auszunutzen.

Der Blick in die Genome kooperierender Bakterienarten zeigt interessanterweise, dass viele von Ihnen gar nicht mehr in der Lage sind, sämtliche lebensnotwendigen Stoffwechselfunktionen für sich allein zu erfüllen. Stattdessen verlassen sich diese auf ihre jeweiligen Partner. Hierbei stellt die Umwelt, also andere Lebewesen, Nährstoffe zur Verfügung, die sie nicht mehr selbst produzieren können. Dies bedeutet aber eine riskante Abhängigkeit: Geht ein Partner verloren, stirbt auch der andere. Können solche Zweckgemeinschaften tatsächlich ein Merkmal sein, das „positiv selektiert“, also in einer Population von Mikroorganismen über längere Zeit erhalten bleibt? Passt diese Annahme zu Darwins Theorie des Survival of the fittest? Wenn ja, dann müsste die Fitness der kooperierenden Partner mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sein als die von Mikroben, die ohne Partner auskommen müssen.

Eine natürlich entstandene Lebensgemeinschaft aus der Natur ins Labor zu holen, um dort solche Kooperationen zu studieren, ist oft äußerst schwierig. Die in der Natur vorherrschenden Umweltbedingungen können im Labor oft nur zum Teil nachgestellt werden. Die Wissenschaftler bedienten sich daher eines synthetischen Modells: Bakterien der Art Escherichia coli wurden genetisch derart verändert, dass ein Stamm eine bestimmte Aminosäure, beispielsweise Tryptophan, nicht mehr selbst herstellen konnte, zusätzlich aber alle anderen Aminosäuren in hoher Konzentration produzierte. Wächst dieser Stamm nun gemeinsam mit einem anderen Stamm, der beispielsweise Arginin nicht mehr selbst produzieren kann, können sich die beiden gegenseitig ernähren.

Erstaunlicherweise zeigte sich bei solchen Ko-Kulturexperimenten, dass sich die Teilungsrate dieser Zellen um rund 20 Prozent steigerte, verglichen mit dem ursprünglichen, genetisch unveränderten Stamm, der alle Aminosäuren selbst produzieren konnte. Der Mangel, eine essenzielle Aminosäure nicht mehr selbst herstellen zu könnten, wirkte sich also bei Anwesenheit eines kooperierenden Partners positiv auf deren Wachstum aus. Erklärt werden kann dies mit dem weit geringeren Energieaufwand, den beide Einzelstämme in die Produktion der ausgetauschten Aminosäuren investieren müssen. Durch eine Spezialisierung auf die Produktion bestimmter, aber eben nicht aller notwendigen Aminosäuren wurden die Bakterienzellen effektiver und konnten dadurch schneller wachsen.

Interessanterweise konnten sich zwei kooperierende, Aminosäure-austauschenden Stämme selbst gegen einen autark wachsenden Wildtyp-Stamm durchsetzen, der offenbar nicht von der Kooperation der beiden Partner profitierte.

Die Ergebnisse der Forschergruppe um Christian Kost verdeutlichen, warum Symbiosen mit Bakterien so weit verbreitet sind. Im Laufe der Evolution verbinden sich die beteiligten Partner dabei oft so eng miteinander, dass sie zu einem neuen, vielzelligen Organismus verschmelzen.

JWK/AO/HR

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