Einsame Planeten im All

Zwei neu entdeckte Himmelskörper ohne Muttersonnen helfen Astronomen beim Verständnis der Sternentstehung

9. Oktober 2013
Wissenschaftler, unter ihnen auch Niall Deacon vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, haben das Bild eines ungewöhnlichen, frei im All treibenden Planeten aufgenommen. Ohne Heimatstern ist das Objekt ungleich einfacher zu untersuchen als ein normaler Planet und verspricht neue Erkenntnisse über die Eigenschaften von Planetenatmosphären. Zu der Frage, wie sich derart massearme Einzelobjekte bilden, liefern unabhängige Beobachtungen eines Teams um Viki Joergens, ebenfalls aus dem Heidelberger Institut, neue Daten: Die Forscher fanden heraus, dass ein ganz ähnliches massearmes Objekt auf die gleiche Weise geboren wird wie ein junger Stern.

Früher war alles einfacher: Zum einen waren da Sterne – riesige selbstleuchtende Gaskugeln; dann gab es noch Planeten, mit sehr viel geringerer Masse, die das Licht ihrer Muttersonne jeweils nur reflektieren. Sterne entstehen aus dem Kollaps gigantischer Gaswolken; Planeten bilden sich in der Gas- und Staubscheibe rund um einen jungen Stern. Irgendwo dazwischen lagen Braune Zwerge: weniger massereich als ein Stern, sodass tief in ihrem Innern keine Kernfusionsreaktionen einsetzen konnten, aber massereicher als Planeten.

Nun haben zwei Entdeckungen die Grenze zwischen diesen verschiedenen Typen von Himmelskörpern noch weiter verwischt: Danach können auch frei im All treibende Objekte mit ähnlicher Masse wie die Planeten auf die gleiche Weise entstehen wie Sterne.

Die erste Entdeckung gelang einem internationalen Team unter der Leitung von Michael Liu von der Universität Hawaii. Die Astronomen fanden mit dem Pan-STARRS1 (PS1)-Teleskop auf Hawaii ein exotisches junges Himmelsobjekt mit gerade einmal dem Sechsfachen der Jupitermasse, das allein durch den Weltraum treibt – ganz ohne Heimatstern.

Das Objekt mit der Katalognummer PSO J318.5-22 befindet sich von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur 80 Lichtjahren im Sternbild Steinbock. Es hat ähnliche Eigenschaften wie die gigantischen Gasplaneten, die man in der Nähe einiger junger Sonnen aufgespürt hat. Mit einem Alter von rund zwölf Millionen Jahren ist der Himmelskörper, gemessen an den Zeitskalen der Stern- und Planetenentstehung, noch recht jung.

Seit 1995 haben Astronomen rund 1000 Exoplaneten entdeckt, allerdings fast immer nur auf indirektem Wege, über ein leichtes Schlingern oder eine geringe Verdunkelung des Heimatsterns. Nur von einer Handvoll von Exoplaneten gibt es Abbildungen – und zwar jeweils von Planeten mit jungen Heimatsternen (weniger als 200 Millionen Jahre alt). In Masse, Farbe und Energieausstoß hat PSO J318.5-22 große Ähnlichkeit mit den auf diesen Bildern sichtbaren Objekten.

Niall Deacon, einer der Koautoren des Fachartikels über die Entdeckung, erklärt, warum der Fund für die Astronomen als Glücksfall gelten darf: “Es ist ungemein schwierig, die bisherigen Planeten, von denen es Abbildungen gibt, eingehender zu untersuchen. Direkt neben dem Planeten leuchtet schließlich jeweils der sehr viel hellere Heimatstern.”

PSO J318.5-22 dagegen kreise nicht um einen Stern und werde sich daher ungleich einfacher studieren lassen. “Davon erhoffen wir uns Erkenntnisse über die Eigenschaften und Strukturen von Gasriesen wie Jupiter in einer frühen Phase ihrer Entwicklung”, sagt Deacon. Mit nur sechs Jupitermassen ist PSO J318.5-22 eines der masseärmsten frei im All treibenden Objekte, die man außerhalb unseres Sonnensystems nachgewiesen hat – womöglich sogar das masseärmste.

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