Der Schlüssel zum Schatz im Holz

Mit einem einfachen, parallelen Ansatz lassen sich die Bestandteile von Lignin für praktische Anwendungen aufarbeiten

24. September 2013

Die Rohstoffquelle Holz könnte sich künftig leichter anzapfen lassen. Chemiker des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr haben einen effizienten Weg gefunden, die Bestandteile des Biopolymers Lignin einfacher nutzbar zu machen. Lignin stabilisiert Pflanzenzellen und enthält organische Verbindungen, die für die chemische Industrie etwa zur Herstellung von Biotreibstoffen wertvoll, aber schwer zugänglich sind. Die Mülheimer Chemiker können die Bausteine nun chemisch so umwandeln, dass sie besser verfügbar werden.

Dass die fossilen Rohstoffe endlich sind, merkt man schon beim Tanken oder beim Kauf von Heizöl: die Brennstoffpreise steigen stetig. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr suchen daher nach nachhaltigen und klimaneutralen Alternativen zu den fossilen Rohstoffen – nicht nur für den Sprit von morgen, sondern auch als Ausgangssubstanzen in der chemischen Industrie. Eine Quelle dafür könnte Lignin sein. Lignin ist ein Biopolymer, das Bäume und Sträucher in ihre Zellwände einlagern. Es durchdringt die Cellulosefasern von Holzzellen und macht sie fest – eben holzig. Die vielfach vernetzten Kettenmoleküle bilden 20 bis 30 Prozent der Trockenmasse holziger Pflanzen, ihre Bausteine könnten für die chemische Industrie nützlich sein, etwa zur Veredelung von Biokraftstoffen oder als Ausgangsmaterialien für Kunststoffe.

„Man kennt das Potential von Lignin schon sehr lange“, erklärt Roberto Rinaldi, Max-Planck-Forschungsgruppenleiter am Mülheimer Institut. Bisher ließ sich der Schatz im Holz jedoch nicht heben – zumindest nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand. Zwar können Chemiker die stark vernetzten Kettenmoleküle des Lignins mit einer Säure bei hoher Temperatur in kleinere Einheiten zerlegen. Dabei entsteht aber ein wildes Gemisch zahlloser sauerstoffhaltiger Verbindungen, die sich nur schwer trennen lassen. Die Arbeitsgruppe um den brasilianischen Forscher Rinaldi schafft da jetzt Abhilfe. Denn die Chemiker haben einen relativ einfachen Weg gefunden, Lignin zu spalten und gleichzeitig den Sauerstoff weitgehend aus diesen Verbindungen zu entfernen. So bleiben hauptsächlich Kohlenwasserstoffe, vor allem sogenannte Arene, also aromatische Verbindungen zurück, die sich leichter sortieren lassen.

Drei Reaktionen lassen sich kombinieren, weil zwei Katalysatoren zusammenspielen

Der chemische Mix des gespaltenen Lignins besteht aus sogenannten Phenolen und anderen sauerstoffhaltigen aromatischen Verbindungen. Den Schlüssel zum chemischen Schatz im Holz fanden die Forscher, als sie in einem Topf gleichzeitig drei Reaktionen ablaufen ließen, die für die Umwandlung der Ligninbausteine in sauerstofffreie Arene nötig sind. In den miteinander gekoppelten Reaktionen entzieht ein einfacher Alkohol den Phenolen über verschiedene Zwischenschritte Sauerstoff. Dabei wird ein Teil der Ausgangsstoffe vorübergehend hydriert, also mit Wasserstoff versehen.

„Wir können die Reaktionen kombinieren, weil wir zwei Katalysatoren zusammenspielen lassen“, erklärt Roberto Rinaldi. Katalysatoren sind chemische Werkzeuge, die Reaktionen in Gang setzen oder beschleunigen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Bei den Katalysatoren, die Rinaldi verwendet, handelt es sich nicht mal um besondere Exemplare: zum einen Raney-Nickel, ein Pulver, das vor allem poröses Nickel enthält und Wasserstoff an organische Moleküle vermittelt; zum anderen Zeolithe, poröse aluminiumhaltige Silikate, die einem Zwischenprodukt des chemischen Dreisprungs Wasser entziehen. „Das sind keine neuartigen Katalysatoren“, sagt Rinaldi. „Wir gehen nur auf neue Weise an das Problem heran, Lignin nutzbar zu machen.“

Der kombinierte Prozess braucht weniger Energie

Bisher sind hohe Temperaturen bis 500 Grad Celsius und Drücke bis zu 200 bar, dem 200-fachen des Atmosphärendrucks, nötig, um die Bruchstücke des Lignins aufzubereiten. Dagegen läuft der kombinierte Prozess der Mülheimer Forscher unter relativ milden Bedingungen ab, nämlich bei etwa 150 Grad und bei Druck von unter 40 bar, und braucht daher weniger Energie. „Apparaturen für die Reaktionen sollten nicht kompliziert zu bauen sein“, schätzt Rinaldi.

Und selbst wenn die Ausbeuten der einzelnen Substanzen aus dem Lignin für die Industrie zu gering ist, eignen sich die Produkte doch zumindest, um synthetische Kraftstoffe zu veredeln. Denn sie sind sehr energiereich und müssen für Treibstoffe nicht sortenrein vorliegen. „Den Kraftstoffen, die nach dem Fischer-Tropsch-Prozess hergestellt werden, fehlen solche Kohlenwasserstoffe, die aber für die Luftfahrt und für Otto-Motoren benötigt werden.

Da Roberto Rinaldi und seine Kollegen davon überzeugt sind, dass ihre Entdeckung praktische Bedeutung findet, haben sie ihr Verfahren patentieren lassen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ als „Hot Paper“ veröffentlicht.

SLG/PH

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