Das Orchesterwerk der Sprache

Max-Planck-Direktor Peter Hagoort erforscht die Partitur des Gehirns, die Menschen sprechen lässt

20. Februar 2013

In unserem Kopf geht es wie in einem Orchester zu. Für Peter Hagoort, Direktor am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik ist dies ein treffendes Bild, wenn er erklärt, wie im Gehirn des Menschen Sprache entsteht. „Es gibt unterschiedliche Spieler, verschiedene Instrumente, die zeitlich aufeinander abgestimmt, perfekt zusammenklingen.“

Beim Sprechen wandeln wir unsere Gedanken in eine lineare Abfolge von Lauten um. Beim Sprachverstehen passiert genau das Gegenteil: Wir leiten eine Interpretation aus den Sprachlauten ab, die wir hören. An beiden Aspekten sind eng miteinander vernetzte Gehirnregionen – wie das Broca- und Wernicke-Areal – beteiligt, die die neurobiologische Grundlage unsere Sprachfähigkeit bilden.

Der 58-Jährige, Peter Hagoort, der sich schon als Jugendlicher sehr für Literatur und Sprache interessierte, fahndet seit den 1990er-Jahren nach diesen neurobiologischen Grundlagen unserer Kommunikation. Dabei beobachtet er mittels bildgebender Verfahren das Gehirn „in Aktion“: Wie steuert das komplexe Organ, wie wir sprechen und wie wir Gesprochenes verstehen?

Sprache sichtbar machen

Um dieses minutiöses Zusammenspiel zu verstehen, kombinierte er als einer der ersten Forscher psychologische Theorien mit neurowissenschaftlichen Methoden. Da dies nicht ohne neueste Technik geht, gründete Hagoort bereits 1999 in Nijmegen das Donders Zentrum für kognitives Neuro-Imaging. Dort bedient sich ein interdisziplinäres Team von Forschern neuer, hochentwickelter Techniken wie beispielsweise der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie oder der Positronen-Emissions-Tomografie, um herauszufinden, wie es dem Gehirn gelingt, Funktionen wie Gedächtnis, Sprache, Beobachtung, Aufmerksamkeit, Gefühle und Bewusstsein zu kombinieren.

Besonders faszinierte den Niederländer der Zeitablauf der Sprache. So entdeckte er beispielsweise, dass das Gehirn zunächst grammatische Informationen über ein Wort sammelt, ehe es Informationen über seinen Klang zusammenträgt. Diese erste, zuverlässige Echtzeitmessung von Spracherzeugung im Gehirn bildete die Grundlagen dafür, dass Forscher Sprechende beim Sprechen zusehen konnten und so neue Erkenntnisse auch darüber erhielten, warum das komplexe Orchesterwerk der Sprache beispielsweise nach Schlaganfällen oder Krankheiten, wie Dyslexie und Autismus gestört ist.

„Sprache ist ein essentieller Teil menschlicher Kultur, der uns von anderen Spezies unterscheidet“, sagt Hagoort. „Bereits Kleinkinder verstehen Sprache, noch bevor sie zu sprechen beginnen. Sie beherrschen komplexe Grammatiken – noch bevor sie 3 und 13 zusammenzählen können. „Unser Gehirn ist sehr früh auf Sprache eingestellt“,  betont Hagoort und verweist damit auf Forschungsergebnisse. Wie sich das Orchester im Kopf genau zusammensetzt und letztlich die Partitur des Sprachprozesses aussieht, daran forscht Hagoort weiter.

            BA

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