Blattduftstoffe vermitteln biologischen Pflanzenschutz

Studie in neuer Fachzeitschrift eLife zeigt erstmals, dass natürliche Schädlingsbekämpfung durch Raubinsekten die Fitness von Pflanzen steigern kann

16. Oktober 2012

Um die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern, ist eine Modernisierung der Landwirtschaft nötig, die sich neuer Erkenntnisse aus der Pflanzenökologie bedient. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie konnten anhand von Freilandstudien an wildem Tabak nachweisen, dass dessen indirekte Abwehr von Fraßfeinden, hervorgerufen durch Abgabe von Duftstoffen zur Anlockung von Raubinsekten, die Anzahl der Schädlinge reduziert und gleichzeitig die Blütenbildung steigern kann. Biologische Schädlingsbekämpfung kann also dank natürlicher Abwehrmechanismen von Pflanzen die landwirtschaftlichen Erträge nachweislich verbessern. Die Ergebnisse erschienen in der ersten Ausgabe der neuen Fachzeitschrift eLife am 15. Oktober 2012.

Fast alle bislang untersuchten Pflanzenarten senden nach Schädlingsbefall spezifische Geruchsstoffe in ihre Umgebung aus, um sich indirekt gegen einen attackierenden Fraßfeind zu wehren. Bis zu 90 Prozent kann eine Pflanze den durch ihren Fraßfeind hervorgerufenen Schaden reduzieren, sobald ihr Duftstoff-Signal den Feind ihres Feindes angelockt hat. Klassische Beispiele sind das Anlocken von Schlupfwespen oder Raubwanzen bei Mottenraupenbefall auf Blättern oder unterirdisch der „Hilferuf“ von Maiswurzeln an raupenfressende Nematoden, sobald die Larve des Maiswurzelbohrers Maiswurzeln befällt.

Wirkt sich aber die Abwehrreaktion einer Pflanze positiv auf ihre Entwicklung, ihr vegetatives und vor allem generatives, also blüten- und samenbildendes Wachstum aus? Denn Abwehrmaßnahmen wie die Aussendung von Duftstoffen oder auch die Produktion verdauungshemmender Eiweiße, die die Blattnahrung von Raupen schwer verdaubar machen, kosten Energie und Ressourcen - die am Ende bei der Samenreife fehlen können. Am Ende einer erfolgreichen Abwehr kann sich eine Pflanze zwar gerettet haben, aber in welchem Zustand ist sie verblieben? Natürliche Abwehr oder anders gesagt: biologischer Pflanzenschutz ist aber für die Landwirtschaft nur dann von besonderem Interesse, wenn der erwartete Ernteertrag mindestens gesichert, besser aber noch gesteigert werden kann.

Wilder Tabak lockt mit grünen Blattduftstoffen Wanzen der Gattung Geocoris an, die dann junge, blattfressende Raupen insbesondere der Gattung Manduca attackieren. Solche grünen Blattduftstoffe, beispielsweise (E)-2-Hexenal und verwandte Verbindungen, werden vermehrt abgegeben, sobald geschlüpfte Manduca-Raupen an den Blättern zu fressen beginnen. Protease-Hemmer wiederum werden in Pflanzenblättern gebildet, die, sobald sie die Raupe mit ihrer Blattnahrung aufgenommen hat, den Verdau von Blatteiweißen stören und die Nahrung mithin minderwertig machen, was zur Schwächung der Raupen führt.

Die Zahl junger Raupen und Motteneier ist bei Tabakpflanzen im Vergleich zu transgenen Versuchspflanzen, die grüne Blattduftstoffe oder Protease-Hemmer nicht mehr oder nur noch begrenzt produzieren können, wie erwartet deutlich reduziert. Aber wie sieht es mit dem Ertrag der Wildtyp-, also verteidigungsbereiten Pflanzen aus im Vergleich zu den transgenen, nicht mehr abwehrbereiten Versuchspflanzen?

Meredith Schuman, Kathleen Barthel und Ian Baldwin haben nun erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen grünen Duftstoffen, der damit verbundenen Abwehr von Manduca-Raupen und einer Zunahme der Blütenbildung signifikant nachgewiesen. Dagegen steigert die Bildung von Protease-Hemmern die Blütenanzahl nicht. Die Forscher vermuten jedoch, dass die von den Raupen mit der Blattnahrung aufgenommenen Verdauungshemmer zur Unterernährung führen und die Tiere so ihren Parasiten oder Raubtieren wenig Widerstand entgegensetzen können. Dies wiederum könnte einen indirekten, aber positiven Effekt auf die Blütenbildung haben.

In der biologisch-organischen Landwirtschaft wird als Alternative zu Insektiziden  biologische Schädlingsbekämpfung betrieben, beispielsweise Schlupfwespenarten gegen die Raupen des gefährlichen Maiszünslers. „Angesichts immer wieder auftretender Resistenzen von Schädlingen gegen Pflanzenschutzmittel ist die Erforschung und Anwendung biologisch-natürlicher Schädlingsbekämpfung besonders wichtig“, sagt Ian Baldwin vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.

Die hier vorgestellten Ergebnisse werden in der ersten Ausgabe der neu ab November 2012 erscheinenden internationalen open access-Fachzeitschrift eLIFE publiziert. eLIFE schlägt einen neuen Weg des wissenschaftlichen Publizierens ein: Dazu gehört der freie, kostenlose Zugang zu den wissenschaftlichen Artikeln, die aus dem Bereich der Biomedizin und den Lebenswissenschaften stammen; die Qualitätssicherung durch ein unabhängiges Team von praktizierenden Wissenschaftlern sowie ein schneller, innovativer Veröffentlichungsprozess. Etwa 150 Experten bilden das „Board of Reviewing Editors“. Während des Begutachtungsprozesses erhalten die Autoren von ihnen eine Beurteilung mit den Anmerkungen aller Gutachter. Ziel ist es, den Begutachtungsprozess zu beschleunigen, transparenter zu machen und den Autoren mit Ratschlägen beiseite zu stehen. Kurz: eLife ist ein Journal für Wissenschaftler von Wissenschaftlern gemacht. Die Publikation der Artikel ist derzeit noch kostenfrei. Sobald sich das Journal etabliert hat, ist eine Bearbeitungsgebühr pro Artikel vorgesehen, um die laufenden Kosten zu decken.

JWK/AO/HR

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