Demografische Wunder in der Wüste

Einige Pflanzen in ariden Gebieten ziehen aus dem Klimawandel einen Vorteil

8. Oktober 2012

Trockengebiete machen rund 41 Prozent der terrestrischen Erdoberfläche aus. Diese Ökosysteme reagieren sehr empfindlich auf den globalen Wandel und die fortschreitende Wüstenbildung. Einigen Pflanzen in diesen Regionen scheint der Klimawandel allerdings nicht zu schaden, sondern sogar gut zu tun. Zu diesem Ergebnis kommt nun eine Studie unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für demographische Forschung in Rostock.

Klimamodelle, mit deren Hilfe Wissenschaftler vorhersagen wollen, welchen Einfluss der Klimawandel auf die unterschiedlichen Ökosysteme hat, prognostizieren den Trockenregionen der Erde eine schlechte Zukunft: Steigende Temperaturen, weniger Niederschlag und vor allem Regen, der immer unregelmäßiger fällt. Allesamt Voraussetzungen, die grundsätzlich ungünstig für Pflanzen zu sein scheinen.

Dass dies aber nicht zwangsläufig so ist, hat nun Roberto Salguero-Gómez am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock gezeigt. Gemeinsam mit Wolfgang Siewert und Katja Tielbörger von der Universität Tübingen und Brenda Casper von der University of Pennsylvania hat er zwei Langzeitstudien erneut untersucht, die über viele Jahre hinweg die Verbreitung zweier Pflanzenarten aus zwei Wüsten in den USA und in Israel genau dokumentiert haben. Das überraschende Ergebnis: Die veränderten Witterungsbedingungen scheinen diesen Pflanzen nicht zu schaden. Ganz im Gegenteil: Sie profitieren scheinbar sogar davon. „Sie passen sich sehr gut an“, sagt Roberto Salguero-Gómez. „Sie scheinen einfach noch sehr viel Puffer zu haben, um diese klimatischen Veränderungen abzufangen.“

Um eine Idee davon zu bekommen, wie sich der Klimawandel auf Pflanzenpopulationen auswirkt, arbeiten Forscher bisher meist mit Mittelwerten – etwa jährlichen Mittelwerten in der Temperatur und in der Niederschlagsmenge. „Diese Methodik ist weit verbreitet, auf Wüstenpflanzen lässt sie sich aber nicht anwenden“, sagt der Wissenschaftler. Denn mit Pflanzen aus Breitengraden, die je nach Jahreszeit immer wieder mit ähnlichen Witterungsbedingungen rechnen können, lassen sie sich kaum vergleichen. Auch ohne den Klimawandel mussten sich Wüstenpflanzen im Laufe der Evolution an die extremen klimatischen Bedingungen der Trockengebiete anpassen. Das kommt ihnen jetzt zugute.

Einige Arten nutzen Jahre mit viel Niederschlag, um viele Samen zu produzieren. Bei anderen Arten haben die Samen so etwas wie einen Sensor für die Niederschlagsmengen: Fallen nur ein paar Tropfen Regen, keimen sie nicht aus. Nur wenn es nach Jahren extremer Trockenheit wieder einmal sehr viel Wasser gibt, fangen sie an zu wachsen. Der Vorteil: Vielen anderen Pflanzen, mit denen sie um Lebensraum konkurrieren, haben die trockenen Jahre sehr zugesetzt. Das hat die Gesamtpopulation ausgedünnt. Diejenigen, die auf den großen Regen gewartet haben, haben nun viel freie Fläche, um sich auszubreiten.

“Jährliche Mittelwerte in den Niederschlagsmengen zu nehmen um vorherzusagen, wie sich die Populationen entwickeln könnten, entspricht einfach nicht der besonderen Physiologie dieser Pflanzen”, fasst Roberto Salguero-Gómez zusammen. Der Ökologe verfolgt daher einen anderen, auf den ersten Blick sehr ungewöhnlichen Forschungsansatz: Er untersucht Wüstenpflanzen mit demografischen Methoden um herauszufinden, wie stark sie unter dem Klimawandel leiden.

So haben er und seine Kollegen anhand der Daten aus den Langzeitstudien und eines Klimamodells sowie einer Berechnungsmethode aus der demografischen Forschung ein neues Modell entwickelt das Aufschluss darüber geben soll, wie sich die Pflanzenpopulationen in Zukunft entwickeln.

Diese Entwicklung weiterhin zu verfolgen sei extrem wichtig, sagt der Wissenschaftler. Etwa, um abschätzen zu können, welche Maßnahmen zur Armutsbekämpfung langfristig die richtigen sind und wo man sie am besten anwendet. Denn die meisten Trockengebiete liegen in den ärmsten Regionen der Welt: in Afrika, Zentralasien und Südamerika. Die Menschen, die dort leben, müssen mit den wenigen Ressourcen auskommen, die diese kargen Landschaften bieten. Im Zuge des Klimawandels wird die Wüstenbildung weiter fortschreiten, und immer mehr Menschen werden betroffen sein. Umso wichtiger ist es daher zu erforschen, wie sich das veränderte Klima auf die Pflanzen auswirkt, die Nahrungsgrundlage für Menschen und Tiere sind.

AE/EM

Zur Redakteursansicht