Ein Teleskop mit zweimillionenfacher Vergrößerung

Antennen-Netzwerk blickt in das Herz eines Quasars in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung

Einem internationalen Team unter Federführung von Wissenschaftlern des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie ist es gelungen, die Zentralregion eines Quasars in großer Entfernung mit bisher unerreichter Schärfe abzubilden. Dazu verbanden die Astronomen mehrere Radioteleskope auf verschiedenen Kontinenten. Die Messergebnisse bringen die Astronomen einen entscheidenden Schritt voran: der direkten Abbildung schwarzer Löcher in den Herzen nahegelegener Galaxien.

Am 7. Mai 2012 haben die Forscher drei Radioteleskope in Chile, Hawaii und Arizona zum ersten Mal auf der Basis der Beobachtungsmethode Very Long Baseline Interferometry (VLBI) zusammengeschaltet. So gewannen sie das bisher schärfste Bild von einer mehr als fünf Milliarden Lichtjahre entfernten aktiven Galaxie, des hellen Quasars 3C 279 mit einem zentralen schwarzen Loch mit der milliardenfachen Masse der Sonne. Die Messungen zeigen, dass die Radiosignale des Quasars aus einer engbegrenzten Region mit einer Winkelausdehnung von 28 Mikro-Bogensekunden stammen; das entspricht der Größe von nur einem halben Lichtjahr.

Die Beobachtungen bei einer Wellenlänge von 1,3 Millimeter (einer Frequenz von 230 Gigahertz) brachten drei Teleskope zusammen, die vorher noch nie mittels dieser Beobachtungstechnik verbunden waren: das Atacama Pathfinder Experiment (APEX), ein Radioteleskop von 12 Meter Durchmesser in der chilenischen Atacama-Wüste, das Submillimeter-Teleskop (SMT) auf dem Gipfel des Mount Graham in Arizona (USA) und das Submillimeter-Array (SMA) auf dem Mauna Kea in Hawaii (USA).

Die hier vorgestellten Radiomessungen markieren wegen der hohen Winkelauflösung einen Meilenstein bei der Erforschung von super-massereichen schwarzen Löchern und ihrer unmittelbaren Umgebung. In Zukunft wollen die Wissenschaftler eine noch größere Anzahl von Radioteleskopen in dieser Weise miteinander verbinden und so ein Event-Horizon-Telescope zu erschaffen. Damit ließe sich erstmals der Schatten des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße direkt abbilden – ebenso wie entsprechende Strukturen in benachbarten Galaxien.

Der Schatten entsteht durch Gravitationsrotverschiebung rund um den äußeren Horizont eines schwarzen Lochs. Diese dunkle Zone sollte sich der Theorie nach direkt beobachten lassen. Allerdings liegt die Schattengröße am Himmel im Bereich von Mikrobogensekunden, also Millionstel Bogensekunden – ein Winkel, der sich der Detailauflösung herkömmlicher Teleskope entzieht. (Zum Vergleich: Der scheinbare Durchmesser des Vollmonds beträgt etwa 1800 Bogensekunden am Himmel).

Mit der VLBI-Methode erhält man die schärfsten Abbildungen, wenn die beteiligten Teleskope sich in möglichst großem Abstand voneinander befinden. Für seine Quasar-Beobachtungen hat das Forschungsteam drei Radioteleskope miteinander verbunden, die ein Interferometer mit transkontinentalen Basislängen ergeben. Dabei beträgt der Abstand von Chile nach Hawaii 9447, von Chile nach Arizona 7174 und von Arizona nach Hawaii 4627 Kilometer.

Um die Beobachtungen miteinander zu synchronisieren, läuft an jeder Station eine Atomuhr mit. An jeder der drei Stationen wurden während der Messungen insgesamt vier Terabyte an Daten auf großen Festplatten aufgezeichnet und anschließend am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ausgewertet.

Der helle Materiestrahl (Jet) aus dem Zentralbereich des Quasars 3C 279 ließ sich zwischen allen drei Basislinien nachweisen; dabei entsprach die Winkelauflösung einer 2,1-millionenfachen Teleskopvergrößerung. Das ist so, als wenn man einen Tennisball auf der Oberfläche des Mondes im Detail sehen könnte. Oder eine Zeitung in Los Angeles von Frankfurt aus lesen würde.

Im Fokus europäischer Wissenschaftler steht das APEX-Teleskop. An ihm haben deutsche und schwedische Astronomen in den vergangenen Jahren neue digitale Datenaufzeichnungssysteme installiert, sowie eine hochpräzise Atomuhr und Datenrekorder mit erhöhtem Innendruck; Letztere zeichnen über einen Zeitraum von vielen Stunden die anfallenden Daten mit einer Rate von vier Gigabit pro Sekunde auf. Dies ist ein wichtiger Schritt, um ein Interferometer zu konzipieren, das sich über den gesamten Erdball erstreckt.

APEX ist eng mit dem neuen Teleskop ALMA verbunden. Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array soll nach seiner Fertigstellung aus 64 Einzelantennen bestehen. So wären im Rahmen des VLBI-Projekts Beobachtungen mit noch zehnfach höherer Empfindlichkeit als bisher möglich.

NJ/HOR

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Hintergrundinformationen

Very Long Baseline Interferometry (VLBI)

Bei terrestrischen VLBI-Netzwerken setzt der Durchmesser der Erde von knapp 13000 Kilometer eine obere Grenze für den Abstand zwischen den beteiligten Stationen. Die Winkelauflösung wird jedoch durch die Distanz nicht in Kilometern, sondern in Einheiten der Radiowellenlänge festgelegt, sodass beim Übergang zu immer kürzeren Wellenlängen die Winkelauflösung immer besser wird. Das ist aus einer Reihe von Gründen technisch sehr aufwändig.

Eine klare Einschränkung ergibt sich vor allem daraus, dass ab etwa einem Millimeter Wellenlänge der Wasserdampfgehalt in den unteren Schichten der Atmosphäre die ohnehin schon schwachen Radiosignale aus dem Kosmos nochmals deutlich beeinträchtigt. Daher ist es erforderlich, eine neue Generation von Radioteleskopen einzusetzen, die sich in sehr großer Höhe über dem Meeresspiegel befinden. Dort ist der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre niedriger und die Absorption der Radiosignale entsprechend geringer.

Um das APEX-Teleskop für den VLBI-Betrieb einsetzen zu können, wurden neue Datenaufnahmesysteme installiert, mit dem die schwachen Signale im Millimeter-Wellenlängenbereich mit großer Bandbreite aufgezeichnet werden können. Solche Systeme wurden parallel in den USA (am MIT-Haystack-Observatorium) und in Europa (MPIfR, INAF/Noto und HAT-Laboratorium) entwickelt. Eine hochgenaue Atomuhr wurde auf der Basis eines Wasserstoff-Maser-Standards (T4Science) installiert. Die beiden Partnerteleskope (SMT und SMA) waren bereits mit entsprechendem Equipment für VLBI-Messungen bestückt.

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