Kein Weg zurück: Durch Geo-Engineering entsteht ein neues Klima

Durch menschliche Eingriffe lässt sich der ursprüngliche klimatische Zustand nicht wiederherstellen

4. Juli 2012
Geo-Engineering versucht, den Treibhauseffekt durch technologische Lösungen abzumildern. Doch dieser künstliche Eingriff in natürliche klimatische Kreisläufe kann die Verteilung der Niederschläge beeinflussen. Besonders in Nordamerika, in Europa und in der Amazonasregion wird es weniger regnen, zu diesem gemeinsamen Ergebnis kommen Simulationen vier unterschiedlicher Erdsystem-Klimamodelle in einer Modell-Vergleichsstudie. Wissenschaftler um Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für Meteorologie berechneten die Folgen einer Reduktion der Sonneneinstrahlung bei gleichzeitiger Erhöhung des Treibhausgases CO2. Alle Modellrechnungen sagen aus, das sich der klimatische Zustand des vorindustriellen Zeitalters trotz Verringerung der Sonneneinstrahlung nicht wieder herstellen lässt: Greift der Mensch in klimatische Prozesse ein, erzeugt er ein anderes, ein neues Klima.

Geo-Engineering-Maßnahmen gehen davon aus, das sich mit einer geeigneten Steuerung des Klimas – etwa dem Entzug von Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder der Reduktion der Sonneneinstrahlung – das zwei-Grad-Ziel einhalten lässt. Doch selbst wenn dies gelänge, wäre das Klima dann immer noch dasselbe?

Europäische Wissenschaftler um Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für  Meteorologie haben diese Frage anhand einer vergleichenden Klimasimulation erforscht und wählten dazu vier renommierte Erdsystem-Modelle aus. Für ihr Experiment fütterten sie diese mit einem einer vierfach so hohen CO2-Konzentration (GI-Szenario), verglichen mit dem vorindustriellen Referenzwert. Sie wollten herausfinden, wie das Klimasystem reagiert, wenn man die entstehende Erwärmung gegenreguliert – durch eine Reduktion der Sonneneinstrahlung.

In der Klimasimulation erhöhten die Forscher den Kohlendioxid-Wert um das vierfache und glichen die entstehende Erwärmung wieder aus, indem sie die kurzwellige solare Einstrahlung am Erdboden reduzierten.

Eine derartige Reduktion der Sonneneinstrahlung entsteht in der Natur nur kurzzeitig, etwa durch den Ausbruch eines Supervulkans und dem dabei entstehenden Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Sie hat einen kühlenden Effekt aufs Klima. Mittels Geoengineering könnte man diese Vorgänge imitieren. Beispielsweise, indem man die Atmosphäre mit Schwefel anreichert oder reflektierende Spiegel ins All schießt. Das Ergebnis des Simulationsexperiments zeigt aber, dass eine derartige Manipulation des Strahlungsantriebs ungeahnte Folgen für das Klima haben könnte.

Die Studie zeigt, das sich durch Geo-Engineering ein vorindustrielles Klima nicht wiederherstellen lässt. „Selbst wenn wir es schaffen, die Temperatur über die gesamte Zeitdauer konstant zu halten: Durch Geo-Engineering erzeugen wir ein anderes, neues Klima“ sagt Hauke Schmidt. Es ist ein Klima mit global veränderten Niederschlägen.

Die Studie kommt außerdem zu dem Schluss, dass eine Minderung der Treibhausgase das Klima effektiver schützt als die Reduktion des Strahlungsantriebs. Die Autoren der Studie mahnen deshalb, dass ein derartiger Eingriff in die Klimaprozesse keine Ersatz-Strategie sein kann, um die globalen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.

Doch warum entsteht durch Geo-Engineering ein verändertes Klima? Der Grund ist, das sich die Minimierung von Treibhausgasen einerseits und eine reduzierte Sonneneinstrahlung andererseits sich höchst unterschiedlich auf die globale Strahlungsbilanz auswirken. Während Treibhausgase relativ homogen die langwellige terrestrische Strahlung beeinflussen, wirkt ein „Dimmen“ der Sonne, beispielsweise durch Reflektoren im Weltall, nur auf den kurzwelligen Anteil der Strahlung. Dies hat lokale Auswirkungen auf die Regionen: dort wo die Sonneneinstrahlung stark ist (ganzjährig in den Tropen, in höheren Breiten während des Sommers) wirkt sich das „Dimmen“ auf die Entstehung von Niederschlägen aus. Durch die verminderte Sonneneinstrahlung verdunstet in den Tropen weniger Ozeanwasser. Außerdem werden die Luftmassen in den mittleren Breiten und Tropen nicht mehr so stark durchmischt. Beide Faktoren reduzieren den Transport von Wasserdampf, die Wolkenbildung und dadurch die Entstehung von Regen.

Das hat zur Folge, dass sich die globale Niederschlagsverteilung ändert. In weiten Teilen  Nordamerikas und im nördlichen Europa wird, verglichen mit vorindustriellen Werten, bis zu 15 Prozent weniger Regen fallen. Mengenmäßig handelt es sich dabei um etwa hundert Millimeter jährlich, doch diese können gerade in trockeneren Vegetationszonen ausschlaggebend sein. Im Amazonasgebiet wird die Regenmenge sogar um 20 Prozent zurückgehen. Die Veränderungen in anderen tropischen Regionen sehen ähnlich aus. Global gesehen, entsteht ein Niederschlagsrückgang von durchschnittlich fünf Prozent, ein Wert, den alle vier Modelle gleichermaßen wiedergeben.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass die vier europäischen Klima-Modelle, wenn man den Faktor Niederschlag betrachtet, sehr ähnlich reagieren. Das spricht für ein gutes Modell-Design und für valide Ergebnisse. „Es gab schon einige Einzelstudien zu diesem Thema. Doch diese Studie ist die erste, die einem strikten Protokollplan folgt. Dadurch können wir die eingesetzten Klima-Modelle jetzt wirklich miteinander vergleichen“ sagt Hauke Schmidt. Die Simulationen entstanden innerhalb des EU-Projekts IMPLICC, das die Auswirkungen des Geo-Engineering auf das Klima untersucht.

AK/NW

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