Wechselwirkende Mutationen fördern Vielfalt

Frequenzabhängige Selektion begünstigt die Vielfalt von Populationen, erhöht aber nicht immer die mittlere Fitness der Population

26. Juni 2012

Genetische Vielfältigkeit entsteht durch das Zusammenspiel von Mutationen, Selektion und genetischer Drift. In den meisten wissenschaftlichen Modellen besitzen Mutanten einen konstant bleibenden Fitnesswert. Auf Basis dieses Wertes konkurrieren sie mit anderen Typen in der Population und setzen sich entweder durch oder sterben aus. Die evolutionäre Spieltheorie hingegen hält konstante Fitnesswerte für einen Spezialfall. Die Fitness einer Mutation hängt demnach auch von der Häufigkeit der Mutation ab. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und der University of British Columbia in Vancouver haben ein Modell für den Fall entwickelt, dass Mutationen zwar frequenzabhängig sind, aber zufällige Fitnesswerte haben. Die Resultate zeigen, dass die entstehende Dynamik der Zufallsmutanten die genetische Vielfalt innerhalb einer Population steigert. Die Fitness jedoch kann sogar sinken.

Populationsgenetiker untersuchen in der Regel Mutationen mit konstantem Fitnesswert. Dabei ist frequenzabhängige Selektion in der Evolution keinesfalls eine Ausnahme: Sie ermöglicht die Entstehung neuer Arten ohne geografische Trennung (sympatrische Artbildung) oder eine relative schnelle Veränderung des Immunsystems in einer Population.

Dabei kann eine Mutation beispielsweise für geringe Häufigkeiten bevorteilt sein, aber die Fitness der Mutante verringert sich mit steigender Häufigkeit. Auch eine umgekehrte Entwicklung des Fitnesswertes ist denkbar. „Mit unserem Computermodell kombinieren wir Aspekte aus der Populationsgenetik und der evolutionären Spieltheorie, um so einen neuen Blickwinkel auf die genetische Evolution zu erhalten“, sagt Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. Während Mutationen in vielen mathematischen Modellen einen zufälligen, aber festen Fitnesswert haben, erlaubt dieses neue Modell auch eine Veränderung der zufälligen Fitnesswerte mit der Häufigkeit der verschiedenen Typen.

Die Resultate der Simulationen zeigen, dass frequenzabhängige Selektion zu einer höheren genetischen Vielfalt innerhalb einer Population von Individuen führt, obwohl Diversität per se nicht bevorzugt wird. Das Zusammenwirken verschiedener Mutationen und das Auftreten neuer Mutanten unterstützt die Entwicklung einer dynamischen Vielfalt in der Population. Dabei muss nicht immer eine Mutante alle anderen Mutationen oder die ursprüngliche Population verdrängen. „Es ist möglich, dass verschiedene Mutationen parallel existieren und nicht eine die andere vollständig ersetzt“, so Weini Huang, Erstautorin der Studie. Besonders interessant ist, dass die Diversität in diesem Modell auf natürliche Weise beschränkt bleibt.

Die Fitness hingegen steigert sich bei der frequenzabhängigen im Gegensatz zur konstanten Selektion nicht zwangsläufig. Beispielsweise kann innerhalb von Zellen eine Mutation auftreten, die die Produktion von Substanzen, die an andere Zellen abgegeben werden, stoppt. Diese kann anfangs vorteilhaft sein, wenn sie sich jedoch durchsetzt, sinkt der mittlere Fitnesswert der Zellpopulation. Auf diese Weise können vorteilhafte Mutationen verloren gehen und nachteilige sich durchsetzen.

RWI/HR

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