Neuer Therapieansatz für die Bekämpfung von resistenten Tumoren

25. Juni 2012

Krebserkrankungen sind schwer zu behandeln, weil sich Tumore in jedem Patienten anders verhalten und im Laufe der Zeit verändern. Mehr Erfolg ist daher von Therapien zu erwarten, bei denen mehrere Medikamente miteinander kombiniert werden. Dafür müssen die molekularen Besonderheiten des jeweiligen Tumors bestimmt werden. Diesen Ansatz verfolgt Thomas Lengauer, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik, seit langem erfolgreich für die HIV-Therapie. Gemeinsam mit seinem früheren Mitarbeiter Christoph Bock hat er jetzt einen Artikel in der renommierten Zeitschrift Nature Reviews Cancer veröffentlicht. Darin zeigen die Autoren Perspektiven auf, wie eine personalisierte Krebsbehandlung in Zukunft aussehen könnte.

Eine HIV-Infektion ist unheilbar, auch wenn sie sich von einer ursprünglich unweigerlich tödlichen Krankheit heute bei richtiger Behandlung zu einer lebenslangen chronischen Krankheit gewandelt hat. HIV-infizierte Patienten müssen sich im Laufe Ihres Lebens mehrfach einem Therapiewechsel unterziehen, da einzelne Therapien nach einer gewissen Zeit unwirksam werden. „Das liegt daran, dass sich das Virus im Patienten laufend verändert und gegen einzelne Medikamente Resistenzen entwickelt. Ein ähnliches Muster ist bei Krebs zu beobachten“, sagt Bioinformatiker Christoph Bock, der am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien arbeitet. In den vergangenen 15 Jahren wuchs das Wirkstoffarsenal gegen HIV. Ärzte sammelten Erfahrung, wie man Kombinationen solcher Medikamente verabreichen kann. Auf der Basis der Analyse des viralen Genoms kann man mithilfe des Computers Resistenzen erkennen und vielversprechende Therapien vorschlagen.

Am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken wurde nun für eine Anzahl von viralen Infektionen, vornehmlich HIV/AIDS, unter Leitung von Thomas Lengauer die Software Geno2pheno entwickelt, die frei im Internet verfügbar ist. „Diese schätzt das Maß der Resistenz gegen die einzelnen Wirkstoffe anhand der im Patienten gefundenen Virusvarianten. Sie ordnet dann die Wirkstoffkombinationen nach der Wahrscheinlichkeit, wie sie am besten gegen das Virus helfen. Unterschiedliche Virus-Varianten weisen nämlich unterschiedliche Resistenzen gegen Wirkstoffe auf“, erklärt Thomas Lengauer. Weltweit habe es bereits über 500.000 Anfragen an den geno2pheno-Server gegeben.

Grundlage für diesen neuartigen Ansatz, Resistenzen gegen Medikamente zu untersuchen, sind mathematische Modelle, die in der Datensammlung verborgene Muster und Zusammenhänge entdecken. „Dieser systematische statistische Ansatz ist eine wichtige Alternative zu bisherigen Methoden der Resistenzbestimmung, die allein auf klinischer Expertise basieren. Wir gehen davon aus, dass sich diese Methoden auch auf die Behandlung von Krebs übertragen lassen“, sagt Christoph Bock, der diese Perspektive gemeinsam mit Thomas Lengauer in dem jetzt veröffentlichten Perspektivenartikel in Nature Reviews Cancer näher erläutert. Am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin in Wien werden bereits mehrere Projekte in diese Richtung verfolgt. So werden im neu eingerichteten „Biomedical Sequencing Facility“ die Genome von Tumoren sequenziert und im PLACEBO Lab patientenspezifische Therapien entwickelt.

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