Volkszählung im Zoo

Demografische Daten von Tierarten in Zoos und in freier Wildbahn sollen helfen, bedrohte Arten zu schützen

Artenschutz ist zwar in aller Munde, aber über die zu bewahrenden Arten ist häufig erschreckend wenig bekannt. Damit bedrohte Tierarten wirkungsvoller geschützt werden können, setzt das Artenschutz-Team um Dalia Amor Conde im Arbeitsbereich Evolutionäre Biodemografie unter der Leitung von James Vaupel und Alexander Scheuerlein vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock spezielle Methoden ein, um wichtige Daten über das Leben gefährdeter Arten zu gewinnen.

Text: Klaus Wilhelm

Der Jaguar hat den Köder geschluckt. Jetzt kommt die Stunde der Hunde – im Morgengrauen, im Dienste der Wissenschaft und zum Schutze der Raubkatzen. Tony Rivera, ein versierter früherer Jaguarjäger, lässt seine Hundemeute von der Leine, welche die Fährte des Jaguars quer durch den dichten Maya-Regenwald des südmexikanischen Bundesstaats Yucatán aufgenommen hat. Fernando Colchero hetzt mit einem Assistenten hinter den keuchenden Vierbeinern her. Seit Jahren untersuchen er und seine Kollegin Dalia Conde das Verhalten der charismatischen Raubtiere in Yucatán, Guatemala und Belize.

Normalerweise nehmen verfolgte Jaguare schlicht Reißaus. Aber nicht dieses Mal! Statt auf den nächsten Baum zu flüchten, entschließt sich das Tier zum Angriff. Mit einem Satz springt der Jaguar direkt auf einen der Hunde. Der kämpft um sein Leben, bis sein Bellen erstirbt. Zur Überraschung aller lässt der Jaguar daraufhin von seinem Opfer ab und verschwindet im Gestrüpp. „Wir dachten, der Hund ist tot“, erzählt Colchero heute. Der junge Mann und sein Begleiter laufen daraufhin der Katze hinterher, die plötzlich wieder aus der grünen Masse der Vegetation hervorschießt und vor ihren Verfolgern steht. „Der wollte auf uns los“, sagt Colchero, „der Adrenalin-Ausstoß in meinem Körper war unglaublich.“

Der Begleiter schlägt mit der Machete um sich. Derweil schreit Colchero auf den Jaguar ein, der daraufhin tatsächlich zögert. In diesem Moment taucht der Rest des Forschungsteams auf und betäubt das aufgebrachte Tier mit einem Pfeil. „Der angegriffene Hund wurde gar nicht getötet, der hat sich nur tot gestellt“, sagt der gebürtige Mexikaner. „Es war ein Weibchen. Weibchen beißen Hunde nicht tot, Männchen sehr wohl.“ Der Jaguar bekommt ein Halsband mit einem GPS-Gerät, das fortan verrät, wie er sich in seinem Lebensraum bewegt. Derlei Daten aus dem Kooperationsprojekt des Max-Planck-Instituts und der mexikanischen Nichtregierungsorganisation Jaguar Conservancy sind für die künftige Forschung in Rostock und für den Schutz der Tiere überlebenswichtig.

„Das war ein aufreibendes Projekt“, bestätigt Dalia Amor Conde, Colcheros Gefährtin beruflich und privat. „Einmal“, so die junge Biologin, „sind wir im Wald in Guatemala von Drogendealern gekidnappt worden.“ Die Sache ging glücklicherweise gut aus. Die beiden blicken vom Besprechungsraum im Rostocker Max-Planck-Institut direkt auf einen Ausläufer der Ostsee, auf eine Szenerie so ganz anders als in der Dschungelhitze. Kühl, ruhig, pittoresk. Mit dabei sind auch Owen Jones und Alexander Scheuerlein. Sie zählen zum Kern der Abteilung Evolutionäre Biodemografie. Die Biologen, Mathematiker und Statistiker haben hier etwas völlig Neues im Sinn: die Methoden der Demografie auf tierische Populationen zu übertragen.

Demografie für den Artenschutz

Die eigentlich auf den Menschen zugeschnittene Disziplin ergründet mit statistischen Verfahren, wie sich Bevölkerungen entwickeln. Sie beschäftigt sich mit Altersstrukturen, Geburten und Sterblichkeit sowie den Umwelt- und Sozialfaktoren, welche die Bevölkerung verändern. Alles Dinge, die auch für Populationen von Tieren gelten. Deshalb betrachtet Dalia Conde das Aussterben einer Art als demografischen Prozess. Die flexiblen Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsraten führen nämlich dazu, dass die Populationen einer Art immer kleiner werden. Wenn viele Populationen schrumpfen, verschwindet irgendwann die ganze Spezies. „Um Arten mit Management-Programmen effektiver schützen zu können, müssen wir die demografischen Prozesse dieser Arten verstehen“, sagt Conde.

Ein Beispiel: Seit einigen Jahren bereits berechnen Biologen mit der sogenannten Populationsgefährdungsanalyse (population viability analysis) die Wahrscheinlichkeit, dass eine Population nach einer bestimmten Zeit ausstirbt. In die Schätzung fließen demografische Faktoren ein: Wie hoch etwa ist die Sterblichkeit einer Spezies im Verlauf ihres Lebens? Wie viele Junge bekommt sie, wie hoch ist also die Fruchtbarkeit? Immer wieder aber stellen Kritiker die Methode infrage, da sie nur verlässliche Ergebnisse liefert, wenn sie mit realistischen Daten gefüttert wird. „Doch viele der Analysen basieren aus Mangel an Daten nur auf vagen Expertenmeinungen zu einer Art“, sagt Alexander Scheuerlein.

Der Biologe hat deshalb ein Projekt namens DatLife gestartet – eine digitale Plattform, die systematisch die weltweit verfügbaren demografischen Informationen über alle bekannten Tierarten sammelt, die jemals veröffentlicht wurden. Sie führt vor Augen, auf welch dünnem wissenschaftlichem Fundament viele Daten stehen. So beruhen manche Schätzungen über die maximale Lebenszeit einer Art nur auf einem Individuum.

Nur von einem Prozent der Amphibien, sieben Prozent der Reptilien, 14 Prozent der Vögel und 23 Prozent der Säugetiere wissen die Forscher überhaupt, wie alt sie höchstens werden können. „Viel zu wenig“, kommentiert Scheuerlein, „und die maximale Lebensspanne sagt für eine Gefährdungsanalyse noch nicht viel aus.“ Noch schlechter steht es um andere demografische Daten. Selbst bei den Säugetieren sind gerade mal für zwei Prozent der Arten die elementaren Informationen bekannt. Der Grund für die Misere ist simpel: Die Erlebnisse der Max-Planck-Forscher beim Einfangen der Jaguare machen deutlich, wie schwer sich demografische Daten in der Wildnis erheben lassen. Seit zwei Jahren arbeiten sie deshalb an einer Alternative: zoologische Gärten.

Lückenhafter Artenbestand in Zoos

850 Zoos weltweit sind über das International Species Information System (ISIS) vernetzt und versorgen diese Schatztruhe mit immer neuen demografischen Daten über ihre Bewohner. Verlässliche Daten von bisher mehr als zweieinhalb Millionen Individuen, von denen einige mehr als 40 Jahre lang genau beschrieben wurden: Geburts- und Todeszeitpunkt, Eintritt in die Geschlechtsreife, Gelegegröße, Vermehrungsrate – alles vorhanden.

Erstmals ermittelten die Rostocker Wissenschaftler zusammen mit ihrem ISIS-Kollegen Nate Flesness, wie sich die Bewohnerschar der globalen Zoos überhaupt zusammensetzt. Demnach sind 25 Prozent aller Vogelarten und 20 Prozent aller Säuger in den Tiergärten vertreten, dagegen nur zwölf Prozent der Reptilien und vier Prozent der Amphibien. 66 Prozent aller Säugerspezies, die als gefährdet, bedroht oder kritisch bedroht eingestuft sind, werden in Zoos gehalten. Für bedrohte Vögel, Reptilien und Amphibien fallen die Zahlen dagegen deutlich kleiner aus. „Insgesamt befindet sich jede siebte bedrohte Tierart in Gefangenschaft des Menschen“, sagt Dalia Conde, „verbesserungsbedürftig, aber besser als nichts.“

Bleibt die Frage, was die demografischen Daten der Zoobewohner wirklich bedeuten und ob sie etwas über die ihrer wilden Verwandten verraten. „Nehmen wir die Sterblichkeit von Arten“, sagt Alexander Scheuerlein und malt ein paar Kurven auf ein Blatt. Sie zeigen, wie wahrscheinlich die Tiere in bestimmten Lebensphasen sterben. Da hängt mit den Prinzipien der Evolution zusammen. Die Fitness eines Tiers bemisst sich nach evolutionären Maßstäben allein an der Zahl seiner Nachkommen, was wiederum bestimmt wird durch Fruchtbarkeit und Sterblichkeit. „Wir können Evolution also nur im Licht der Demografie verstehen“, beschreibt Scheuerlein das Credo seiner Forschungsgruppe, „evolutionäre Prozesse beeinflussen die Demografie von Arten – und umgekehrt.“

Nun besagt die gängige Theorie, dass die Sterblichkeit im Laufe des Lebens steigt, während die Fruchtbarkeit sinkt. Diese Regel kann Alexander Scheuerlein in seinen gesammelten demografischen Datensätzen aber nicht durchgängig erkennen. Einige Arten zeigen eine konstante Sterblichkeitsrate, etwa der Süßwasserpolyp Hydra. Bei vielen anderen ist sie kurz nach der Geburt sehr hoch, dann nimmt sie kontinuierlich ab – bei Schildkröten sogar bis ins hohe Alter. „Wahrscheinlich, weil sie immer größer werden und damit Fressfeinden immer besser widerstehen können.“ Die Mortalitätskurven von Pavianen und Schimpansen ähneln grundsätzlich jenen des Menschen. Inzwischen haben die Max-Planck-Forscher Sterblichkeitskurven für rund 100 Tierarten erstellt, alle beruhend auf Daten aus Feld- und Laborstudien.

Zoo- und Wildtiere im Vergleich

Derzeit analysieren die Rostocker die vorliegenden demografischen Daten aus den Zoos, erstellen die Sterblichkeitskurven und vergleichen sie mit jenen verlässlichen Kurven wild lebender Populationen. So wollen sie herausfinden, inwieweit sich die Kurven unterscheiden. Denn klar ist, dass das Leben in der harten Wildnis erheblich anders verläuft als im zoologischen Garten. Schließlich werden wilde Tiere für gewöhnlich nicht wie die Zoobewohner von einem Tierarzt versorgt.

Noch liegen keine Ergebnisse zu den Unterschieden wichtiger demografischer Daten vor, aber erste Vermutungen hat Alexander Scheuerlein sehr wohl. Paarweise lebende Vögel ohne komplexe Sozialsysteme haben vermutlich ähnliche Sterblichkeitsverläufe im Zoo und in der Natur. Die Mortalitätskurven verlaufen parallel, obwohl die Zoobewohner natürlich länger leben. Anders bei sozialen Tieren wie etwa Pavianen. Hier werden natürliche Sozialsysteme im Zoo oft verändert. So gibt es dort etwa keine Alpha- und Betamännchen mehr. Das beeinflusst die Sterblichkeitsverläufe nachhaltig.

Die Wissenschaftler wollen durch solche Vergleiche so viele Erkenntnisse erhalten, dass sie auch auf die Demografie wilder Tierarten schließen können, von denen keine Daten vorliegen. Diese Informationen könnten dann neue Gefährdungsanalysen für Populationen speisen – mit letztlich viel besseren Aussagen für das Management bedrohter Tierarten. „Diesen Daten traue ich viel mehr zu als vagen Expertenmeinungen“, betont Dalia Conde. Zudem könnten die Daten aus den Zoos als Kontrollpopulationen für künftige Feldstudien über bedrohte Tierarten dienen. Denn im Zoo unterliegen die Tiere keinen Umwelteinflüssen wie in der Wildnis. Der Vergleich mit den Zookontrollen dürfte den Forschern mithin wertvolle Hinweise darüber liefern, welche Umweltfaktoren, etwa die Klimaerwärmung, die Demografie wilder Arten beeinflussen.

Das alles braucht ausgefeilte Methodik, Verfahren und Programme. Eine Computersoftware für die Analyse von Daten aus Feldstudien haben die Max-Planck-Forscher gerade entwickelt. Sie heißt BaSTA und schließt immer wieder auftretende Lücken und Mängel in Feldstudien. Für gewöhnlich gewinnen Wissenschaftler ihre demografischen Daten, indem sie Tiere fangen, ihnen Senderhalsbänder mit einer Identifikationsnummer anlegen oder sie beringen. So können sie das Schicksal des Tiers verfolgen. Idealerweise ist das Alter des Tiers bekannt. Außerdem sollte es bei weiteren Messungen erfasst und der Todeszeitpunkt aufgezeichnet werden.

Doch in Wahrheit kennen die Forscher das Alter der Tiere oft nicht. Oder sie können nur einen Teil der Lebensspanne rekonstruieren. Um dennoch Ergebnisse zu bekommen, schätzen sie schlicht die Sterblichkeit und nutzen nur Individuen bekannten Alters. „Beides verringert die Aussagekraft einer Studie“, sagt Colchero. So kann es zu falschen Sterblichkeitsdaten, gerade in der letzten Lebensphase, kommen. Zudem finden die Biologen nur selten alle in eine Studie einbezogenen Tiere wieder. Sind diese bereits tot oder tauchen sie aus anderen Gründen nicht auf?

Kurzum: Viele demografische Daten bleiben vage – und deshalb auch die Empfehlungen für den Artenschutz. Aus der Not heraus haben Biologen und Informatiker jüngst statistische Verfahren entwickelt, welche die lückenhaften Datensammlungen durch fundierte Annahmen vervollständigen. Viele dieser Methoden sind gut, aber sie sind umständlich für den gewöhnlichen Nutzer. „BaSTA hingegen ist kinderleicht anzuwenden“, schwärmt Owen Jones. Mit dem Programm lassen sich sogar Geburts- und Todeszeitpunkte hochrechnen. „Wir verwenden alle möglichen Daten aus einer Studie und modellieren die Parameter, um die Lücken zu schließen“, sagt der britische Biologe. Keine Information geht verloren.

BaSTA - Ein Computermodell unterstützt den Schutz der Jaguare

So wird BaSTA auch für zukünftige Jaguarstudien wertvoll sein. „Um unsere demografischen Modelle für den Schutz dieser und anderer Tiere zu nutzen, müssen wir ihre Lebensräume verstehen“, sagt Dalia Conde – wie groß ihr Habitat noch ist und wie sie es nutzen. Noch sind die Populationen der edlen Katzen offenbar einigermaßen gesund. Und das, obwohl sie bereits 40 Prozent ihres einstigen Lebensraums in Mittel- und Südamerika verloren haben – vor allem im Amazonasgebiet, aber auch im Maya-Regenwald. Ein großes Problem ist etwa die Zerstückelung ihres Lebensraums. Dalia Conde und Fernando Colchero haben deshalb, unterstützt von der mexikanischen Regierung und mehreren Nichtregierungsorganisationen, untersucht, welche Rolle der Straßenbau bei der Fragmentierung des Habitats der Jaguare spielt.

Monatelang zogen die Wissenschaftler mit ihren Helfern immer wieder durch den Maya-Regenwald – und mussten leidvoll erfahren, wie schwer es ist, die scheuen Tiere zu stellen. Sieben Weibchen und vier Männchen wurden letztlich gefangen. Fünf tragen seitdem Halsbänder mit Radiotelemetrie-Sendern, die restlichen GPS-Geräte. Auf diese Weise haben die beiden Forscher jahrelang viermal täglich die Position der Tiere ermittelt und so das Bewegungsmuster der Raubkatzen analysiert.

Am Ende speisten die Biologen ihre Daten in ein Computermodell ein. Ergebnis: Während sich Männchen gern in dichter besiedelten Gebieten aufhalten und die Straße häufiger überqueren, vermeiden die Weibchen genau diese Regionen und kreuzen Straßen nur selten. „Sie sehen die Straße und kehren um“, sagt Conde. „Als ob sie allergisch dagegen sind.“ Die Männchen, Draufgänger wie so oft, sind also weitaus stärker davon bedroht, überfahren zu werden. Dank ihres Modells konnten die Forscher die Stellen identifizieren, an denen die Tiere die Straßen am häufigsten überqueren. Genau dort, so ihr Rat, sollten die Behörden Brücken oder Tunnel für die Jaguare bauen. An einem der vorhergesagten Kreuzungs-Hotspots starben tatsächlich bereits mehrere Jaguare – und andere Tiere. „Schutzmaßnahmen für die Jaguare können also auch weitere Arten nutzen“, bekräftigt Colchero.

In einer zweiten Studie haben Conde und Colchero beleuchtet, wie die Großkatzen ihr Habitat nutzen. Auch dabei haben die Biologen nachgewiesen, dass Männchen und Weibchen unterschiedlich ticken. Männliche Jaguare halten sich weitaus häufiger in Gebieten des Waldes mit sehr hohen Bäumen und kaum Bodenbewuchs auf, denn hier finden sie erfahrungsgemäß die beste Beute. Derlei Regionen durchstreifen zwar auch die Weibchen. Sie bevorzugen jedoch Gebiete mit kleineren Bäumen und dicht bewachsenem Untergrund, der jede Bewegung beschwerlich macht. „Hier ist es extrem heiß und stickig, weil die Sonne viel leichter zum Boden dringt“, weiß Conde aus eigener Erfahrung. Außerdem meiden die Weibchen, anders als die Männchen, große landwirtschaftliche Flächen, wo sie weitgehend ungeschützt sind.

Die Auswahl der Orte dürfte durchdacht sein. Denn auch Wilderer bevorzugen Waldgebiete mit hohen Bäumen, in denen sie leicht vorankommen. Und sie dringen maximal vier Kilometer weit in den Wald vor, bleiben also weitgehend in der Nähe von Wegen und Straßen. „Die Weibchen vermeiden damit männliche Jaguare und Wilderer, die ihnen und ihrem Nachwuchs gefährlich werden könnten“, sagt Dalia Conde. Aufgrund dieser Erkenntnisse können die Biologen den Naturschützern gezielte Hinweise geben, in welchen Gebieten des Waldes es vorzugsweise zu Konflikten zwischen Jaguar und Mensch kommt. Genau dort könnten sie verstärkt mit der Bevölkerung arbeiten.

In einem nächsten Schritt wollen die Rostocker Biologen die demografischen Daten mit den Erkenntnissen über den Lebensraum der Tiere verbinden, um konkrete Empfehlungen für Artenschutzprogramme abzugeben. Einige Arten – etwa das Spitzmaulnashorn, der Wolf in Europa, der westafrikanische Goliathfrosch und ostafrikanische Agapornis-Papageien – leben in einem stabilen Habitat, aber die Populationen bestehen nur aus wenigen Tieren.

Mit dem neuen Wissen um Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsraten könnten Forscher vorhersagen, wie viele Weibchen und Männchen ausgewildert werden müssten, damit eine stabile Gruppe heranwächst. Bei geringer werdenden Lebensräumen und halbwegs stabilen Populationen wie im Falle des Jaguars ließen sich ebenfalls Schutzprogramme optimieren. Für den schlimmsten Fall – schrumpfender Lebensraum und sinkende Populationsdichte wie bei vielen australischen Amphibien – bleibt dagegen nur ein Ausweg: ein Leben im Zoo. Und das Warten auf bessere Zeiten. 

 

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Nur zu einem Bruchteil aller Tierarten gibt es zuverlässige demografische Daten. Die Datenbank DatLife, die Ende dieses Jahres online gehen soll, sammelt deshalb die weltweit verfügbaren Informationen zu sämtlichen bekannten Tierarten.

Beobachtungen an Zootieren könnten dazu beitragen, Wissenslücken zu schließen. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass sich das Leben in Gefangenschaft auf die Demografie auswirken kann: So haben Arten mit komplexen Sozialsystemen im Zoo möglicherweise eine veränderte Sterblichkeit als ihre wilden Artgenossen.

Männliche Jaguare im mittelamerikanischen Regenwald leben häufig in dicht besiedelten Gebieten und überqueren Straßen. Weibchen dagegen leben zurückgezogener und bevorzugen Waldgebiete mit dichtem Unterholz. Mit diesem Wissen können die Forscher ihre demografischen Modelle zum Schutz der Raubtiere verfeinern und Schutzmaßnahmen verbessern.

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