Lokale Proteinbildung in den Fortsätzen von Nervenzellen
Max-Planck-Forscher identifizieren rund 2500 neue mRNAs an den Dendriten und Axonen von Neuronen
Nervenzellen benötigen kontinuierlich neue Proteine. Von der Mehrheit dieser Proteine nahm man bisher an, dass sie im Zellkern produziert und erst dann an die benötigten Stellen transportiert werden. Mithilfe von Zellkulturen und Gewebeschnitten aus dem Hippocampus von Ratten haben Hirnforscher des Max-Planck-Institutes in Frankfurt die für die Erregungsleitung zuständigen Axone und Dendriten auf mRNAs hin untersucht. Sie haben dazu besonders empfindliche Sequenzierungsmethoden zur Entschlüsselung der mRNA-Sequenz benutzt, die selbst kleinste Mengen der Moleküle aufspüren können. Damit haben sie rund 2550 bisher unbekannte mRNAs identifiziert. Viele davon beeinflussen die Reizweiterleitung an den Synapsen, die sogenannte synaptische Plastizität, bei der die synaptischen Signale verstärkt oder abgeschwächt werden. So besitzt die mRNA für das Enzym Kalzium-Calmodulinkinase 2a – ein zentrales Protein der synaptischen Plastizität – die höchste Konzentration aller mRNAs in den Dendriten.
Die Forscher konnten zudem die Funktionen der meisten mRNAs aufklären: Die meisten mRNAs sind für die Produktion von Proteinen zuständig, die als Signalmoleküle, im Zellgerüst oder als Rezeptor für Neurotransmitter eingesetzt werden. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig die lokalen Proteinbildungswerkstätten der Dendriten und Axone für die Nervenzellen sind“, sagt Erin Schuman vom Frankfurter Max-Planck-Institut. „Ähnlich wie in modernen Gesellschaften produzieren Nervenzellen also ihre benötigten Produkte am effizientesten lokal.“
Den Frankfurter Forschern zufolge sind einige der neuentdeckten lokal gebildeten Proteine an einer Reihe von Krankheiten beteiligt. So spielen die mRNAs für die Proteine Nlgn1,3 und Shank3 bei verschiedenen autistischen Störungen und die mRNA für das Protein Snca bei Alzheimer eine Rolle. „Möglicherweise können diese Krankheiten entstehen, wenn die zugehörigen mRNAs dieser Proteine nicht an die richtigen Orte gelangt oder sie dort nicht korrekt in Proteine übersetzt werden“, erklärt Schuman.
AV/AB/HR