Stipendien sind auch ein Qualitätsausweis

Worum geht es eigentlich bei einer Promotion?

20. April 2012

Eine Förderung mit Stipendien ist in der Wissenschaft – und zwar nicht nur national, sondern auch international – das Instrument schlechthin; sie abzuschaffen, wäre grober Unfug und würde die gesamte Nachwuchsförderung beschädigen.

„Das Doktor-Werden ist eine Konfirmation des Geistes“, schrieb einst Georg Christoph Lichtenberg und traf damit den Kern der Promotion – eine Arbeit, bei der man sich über mehrere Jahre ganz hinein vertieft in „sein“ Thema, bei der man ein hohes Maß an Motivation aufbringen und intellektuelle Kreativität entwickeln muss und bei der man an die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens erst herangeführt wird. Die Promotion gilt zu Recht als der authentischste aller akademischen Abschlüsse. Ein „ganzer“ Wissenschaftler ist man zu Beginn noch lange nicht, ein „ganzer“ Wissenschaftler soll man dabei werden. Insofern handelt es sich um „Lehrjahre im Labor“ und als solche werden sie in der Regel auch nicht wie eine „ganze“ Stelle vergütet – und das ist weitgehende Praxis an allen Forschungseinrichtungen und Universitäten.

Dass nur ein Teil der Doktoranden einen Fördervertrag bekommt und ein anderer Teil mit einem Stipendium promoviert, ist auch nicht grundsätzlich abzulehnen. Der Internationalisierungsdruck hat das Promotionswesen in Deutschland in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht verändert. So hat sich innerhalb von zehn Jahren die Zahl der Ausländer, die in Deutschland promovieren, verdoppelt. Von den 5300 Doktorandinnen und Doktoranden an den Max-Planck-Instituten kommt die Hälfte aus dem Ausland. Für die ausländischen Promovenden sind Stipendien nichts Ungewöhnliches – auch an den Eliteeinrichtungen in den USA und England wie Harvard, Stanford, Cambridge oder Oxford promovieren junge Nachwuchswissenschaftler in der Regel nicht auf einer vollen Stelle, sondern mit einem Stipendium oder Teilstipendium, mit dem sie darüber hinaus noch die Studiengebühren finanzieren müssen (die es in Deutschland nicht gibt). Die im Rahmen von PhD-Programmen bereitgestellten Stipendien werden in einem strengen Auswahlverfahren vergeben.

Das gilt übrigens auch für die jährlich 4000 Promovierenden in Deutschland, die ein Stipendium von einem der zwölf Begabtenförderwerke erhalten. Gesucht werden hier nicht nur „helle Köpfe“, die überdurchschnittliche Leistungen in Schule und Studium erbracht haben, hier wird auch nach gesellschaftlichem Engagement gefragt. Weniger als 20 Prozent der Bewerber schaffen den Sprung in die Förderung. Sie sind zu Recht stolz auf ihr Stipendium, denn es zeichnet sie als hoch motivierte, qualifizierte und auch außerfachlich engagierte Promovierende aus. Insofern greift der Vorwurf einer Zweiklassengesellschaft in der Promotionsförderung einfach zu kurz – Deutschlands gesamte Begabtenförderung fußt auf Stipendien!

Von den 3300 mit Stipendium geförderten Doktoranden in der Max-Planck-Gesellschaft erhalten 2200 ein Max-Planck-Stipendium und das verbliebene Drittel ein Stipendium u.a. von einem der Begabtenförderwerke, der Alexander von Humboldt-Stiftung, dem DAAD, der EU (Marie-Curie-Stipendium) etc.. Die Stipendiensätze unterscheiden sich nur geringfügig: Sie liegen zwischen 1000 und 1365 Euro zuzüglich Zuschüssen. Anders ausgedrückt: Eine Förderung mit Stipendien ist in der Wissenschaft – und zwar nicht nur national, sondern auch international – das Instrument schlechthin; sie abzuschaffen, wäre grober Unfug und würde die gesamte Nachwuchsförderung beschädigen.

Das PhDnet, die Interessenvertretung der Doktoranden in der Max-Planck-Gesellschaft, hat sich in den vergangenen Jahren vor allem dafür engagiert, dass unabhängig vom Finanzierungsmodell die Doktoranden an den Max-Planck-Instituten eine vergleichbare finanzielle Förderung erhalten. Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich daher in Verhandlungen mit ihren Zuwendungsgebern dafür eingesetzt, die Stipendiensätze mit einem Krankenkassenzuschuss, einer attraktiven Kinderzulage sowie weiteren finanziellen Beiträgen für Familien aufwerten zu dürfen. Dass uns das gelungen ist, verbuchen auch die Stipendiaten als Erfolg!

Viele unserer ausländischen Doktoranden schätzen ein Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft als besondere Auszeichnung, die es ihnen ermöglicht, ihre Doktorarbeit frei und unabhängig in einer international anregenden Forschungsumgebung durchzuführen. Unsere jungen Nachwuchswissenschaftler kommen aus 100 Ländern dieser Erde zu uns, angelockt vom Renommee der Max-Planck-Gesellschaft sowie den hervorragenden Arbeitsbedingungen an unseren Instituten. Sie können einen entscheidenden Abschnitt ihrer Karriere in einem kreativen Kosmos absolvieren, in dem interdisziplinäre und interkulturelle Ansichten und Denkweisen kluger Köpfe zum Tragen kommen.

Und damit sind wir wieder beim eigentlichen Wesen der Promotion angekommen: Die intensive Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist zuallererst eine intellektuelle und nicht eine finanzielle. Mit den International Max Planck Research Schools hat die Max-Planck-Gesellschaft in Kooperation mit den Universitäten vor mehr als zehn Jahren ein Erfolgsmodell für eine international ausgerichtete Graduiertenausbildung in Deutschland auf den Weg gebracht: Zum Ausbildungsangebot tragen neben den Max-Planck-Instituten und den deutschen Partneruniversitäten auch ausländische Universitäten und Forschungsinstitutionen bei. Die Doktoranden schätzen die sehr gute Betreuung, aber auch das Training von Soft Skills. Denn – und auch das müssen wir uns klar vor Augen führen – nur ein Teil von ihnen wird in der Wissenschaft bleiben. Das ist kein Nachteil: Die erfolgreichste Form des Wissenstransfers ist die Ausbildung von hervorragend qualifizierten Nachwuchskräften, die leitende Funktionen eben nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen können.

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