Fossile Planeten

Astronomen entdecken ein Sonnensystem aus der Frühzeit des Universums

28. März 2012

Das neue Planetensystem besteht aus dem Stern HIP 11952 und zwei Planeten mit Umlaufzeiten von 290 und sieben Tagen. Das wäre an sich nichts Besonderes, die Entdeckung von Exoplaneten gehört mittlerweile zum astronomischen Tagesgeschäft.  Aber HIP 11952 ist anders: Der Stern besitzt ein Alter von rund 13 Milliarden Jahren und weist im Wesentlichen nur Wasserstoff und Helium auf. Üblicherweise entstehen Planeten in Wolken, die schwerere chemische Elemente enthalten. Das System könnte daher wichtige Informationen darüber liefern, wie sich Planeten bereits im frühen Universum bilden konnten, als ganz andere Bedingungen herrschten als etwa bei der Geburt unseres Sonnensystems.

Den heutigen Vorstellungen entsprechend entstehen Planeten in Scheiben aus Gas und Staub, die junge Sterne umgeben. Wie das im Detail vor sich geht, ist freilich noch offen. Eine unbeantwortete Frage lautet etwa: Welche Voraussetzungen müssen denn eigentlich erfüllt sein, damit sich Planeten bilden? Mit einer Stichprobe von mittlerweile mehr als 750 sicher nachgewiesenen Exoplaneten – also Planeten, die andere Sterne umkreisen als die Sonne – haben die Astronomen einen Eindruck von der beachtlichen Vielfalt der möglichen Planetensysteme gewonnen.

Dabei zeigen sich bestimmte Trends: Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, bei einem „metallreichen“ Stern – im Sprachgebrauch der Astronomen heißen alle chemischen Elemente außer Wasserstoff und Helium „Metalle“ – einen oder mehrere Planeten anzutreffen, größer als bei metallarmen Sternen.

Ursprünglich enthielt das All außer Wasserstoff und Helium so gut wie keine weiteren Elemente. Fast alle schwereren Elemente sind erst über Milliarden von Jahren hinweg im Inneren von Sternen produziert und dann im Rahmen von Supernova-Explosionen, mit denen massereiche Sterne ihr Leben beenden, in den freien Raum geschleudert worden.

Das wirft neue Fragen auf: Wie steht es unter den Bedingungen, die im frühesten Universum vor rund 13 Milliarden Jahren herrschten, mit der Planetengeburt? Wenn sich um metallreichere Sterne mit größerer Wahrscheinlichkeit Planeten bilden, gibt es dann umgekehrt Sterne mit so geringem Metallgehalt, dass gar keine Planeten entstehen? Und wenn ja: Wann würden wir dann im Laufe der kosmischen Geschichte erwarten, dass sich die ersten Planeten bilden?

Jetzt haben Astronomen aus dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und weiteren Instituten ein Planetensystem entdeckt, welches zur Beantwortung dieser Fragen beitragen könnte. Im Rahmen einer Durchmusterung, bei der sie gezielt nach Planeten metallarmer Sterne suchten, fanden sie zwei Planeten um einen Stern mit der Katalognummer HIP 11952, der von der Erde aus gesehen im Abstand von rund 375 Lichtjahren im Sternbild Walfisch liegt. Für sich genommen sind die beiden Planeten, HIP 11952b und HIP 11952c, nichts Besonderes. Sehr ungewöhnlich ist aber, dass sie um einen derart metallarmen und – vor allem – um einen so alten Stern kreisen.

Im Rahmen der klassischen Modelle der Planetenentstehung, die metallreiche Sterne begünstigen, sollte die Bildung von Planeten um solch einen Stern ein extrem seltenes Ereignis sein. Veronica Roccatagliata von der Universitätssternwarte München, die Koordinatorin der Durchmusterung, sagt: „Im Jahre 2010 haben wir das erste Planetensystem eines derart metallarmen Sterns gefunden: HIP 13044. Damals dachten wir, dies sei ein einzigartiger Fund. Jetzt aber sieht es so aus, als hätten metallarme Sterne deutlich häufiger Planeten als erwartet.“

HIP 13044 wurde berühmt, weil es sich bei ihm um den ersten extragalaktischen Exoplaneten handeln dürfte – der Stern ist Teil eines sogenannten Sternstroms, des Überrests einer anderen Galaxie, die vor Milliarden von Jahren von unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, verschlungen wurde.

Im Vergleich mit anderen Exoplanetensystemen ist HIP 11952 nicht nur eines der metallärmsten, sondern mit einem geschätzten Alter von 12,8 Milliarden Jahre auch eines der ältesten. „Wir haben in unserem kosmischen Hinterhof eine archäologische Entdeckung gemacht“ sagt Johny Setiawan vom Max-Planck-Institut für Astronomie, der die Untersuchungen an HIP 11952 geleitet hat: „Diese Planeten haben sich wahrscheinlich zu einer Zeit gebildet, als unsere Heimatgalaxie selbst noch ein Baby war.“

Jetzt wollen die Astronomen noch weitere Planetensysteme dieses Typs finden und untersuchen. Dabei hoffen sie, die Theorien zur Planetengeburt deutlich zu verfeinern. „Unsere Entdeckung zeigt jedenfalls, dass während aller Perioden kosmischer Geschichte neue Planeten entstanden sind“, sagt Anna Pasquali vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, eine Koautorin des Artikels über den Fund.

HOR / MP

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