Gestörter Funkverkehr im Gehirn

Ein Botenstoff stört gezielt das Sendevermögen einer Gehirnregion und blockiert damit das Weiterleiten von Informationen

29. Mai 2008

Gehirnregionen empfangen Signale von der Außenwelt, und verrechnen diese mit intern abgespeicherten Informationen. Die Resultate daraus werden wiederum an andere Gehirnregionen weitergesendet. Dieser Funkverkehr kann sowohl durch funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) als auch durch Aufzeichnung elektrophysiologischer Hirnaktivität überwacht werden. Wissenschaftler vom Max Planck Institut für biologische Kybernetik in Tübingen konnten zeigen, dass der gehirneigene Botenstoff Serotonin in diesen Funkverkehr eingreift, indem er das Sendevermögen stark einschränkte, aber die Empfangs- und Verrechnungsfunktion weitgehend intakt ließ. Diese Resultate tragen zum Verständnis der Grundlagen des fMRT Signals bei und sind für die Diagnose von Serotonin-Fehlfunktionen wie etwa Schizophrenie von Relevanz (PNAS, 2. Mai 2008).

Technische Entwicklungen am Max Planck Institut für biologische Kybernetik in Tübingen erlauben die gleichzeitige Registrierung von elektrischer Hirnaktivität und einem mittels fMRT gemessenen Signal (BOLD; für"blood-oxygenation-level-dependent") in nicht-humanen Primaten. Die Kombination dieser Verfahren ist bislang weltweit einzigartig. Das BOLD-Signal liefert Informationen über den lokalen Sauerstoffverbrauch einer Gehirnregion und ist damit ein guter Indikator für das Verrechnen von Signalen in lokalen neuronalen Netwerken. Die elektrophysiologische Aktivität spiegelt direkt die Informationsverarbeitung wider, wobei sowohl die Empfangs- als auch die Sendeaktivität des lokalen Netzwerks ausgelesen werden kann. Die Empfangsaktivität wird vor allem im niederen Frequenzbereich des elektrophysiologischen Signals reflektiert, während der hochfrequente Bereich die Sendeaktivität widerspiegelt. Zusammen erlauben die verschiedenen Signale eine umfassende Charakterisierung der Empfangs-, Verrechnungs- und Sendefunktionen einer Gehirnregion.

In der aktuellen Studie, welche auch im Rahmen der Bernstein Kooperation "Neurovaskuläre Kopplung" durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt wurde, untersuchten die Forscher, wie sich die lokale Applikation des Serotonin-Agonisten BP554 auf die Informationsverarbeitung auswirkt. Serotonin ist ein gehirneigener Botenstoff, welcher modulierend auf neuronale Netzwerke einwirkt und bei verschiedenen neurologischen Störungen eine Rolle spielt. "Außerdem wird der Einfluss von Neuromodulatoren wie etwa Serotonin auf das BOLD-Signal gegenwärtig stark unterschätzt", sagt Nikos Logothetis. Es zeigte sich auf elektrophysiologischer Ebene, dass BP554 vorwiegend die Sendeaktivität der studierten Gehirnregion stark dämpfte, während Empfang und lokale Verrechnung von Informationen weitgehend unbeeinträchtigt blieben. Das BOLD-Signal wurde durch die Applikation von BP554 nicht beeinflusst, und verhielt sich damit wie die Empfangsaktivität der beobachteten Hirnregion.

Der Befund untermauert den engen Zusammenhang zwischen lokaler Verrechnung von Informationen und dem BOLD-Signal. Da das Gehirn ein eng vernetztes System ist, lassen sich lokale Verrechnung und Sendefunktion eines Areals normalerweise nicht trennen. "Durch die pharmakologische Intervention haben wir hier einen Gehirnzustand hergestellt, welcher eine solche Trennung erlaubt", erklärt Alexander Rauch. Die Forscher gehen davon aus, dass solche Gehirnzustände auch im Menschen bei Störungen des Serotonin-Systems auftreten können. Insbesondere die Schizophrenie stellt eine solche Störung dar, welche durch Dysregulation der Serotonin-Rezeptoren im Vorderhirn gekennzeichnet ist. Die Ergebnisse können daher einen wertvollen Beitrag zur Diagnostik mithilfe von bildgebenden Verfahren liefern.

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