Mikrokapseln mit Öffner

Max-Planck-Forscher schleusen Mikrokapseln in Tumorzellen ein und setzen ihren Inhalt dort mit einem Laserimpuls gezielt frei

20. Juli 2006

Medikamente helfen am besten, wenn sie direkt in die kranken Organe oder Zellen gelangen - zum Beispiel in Tumorzellen. Wissenschaftler des Potsdamer Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung und der Ludwig-Maximilian-Universität München sind diesem Ziel jetzt einen Schritt näher gekommen: Sie haben eine Substanz gezielt in Tumorzellen freigesetzt: Sie haben den Stoff in winzigen Kapseln verpackt, in die Krebszellen geschleust und dort mit einem Laserimpuls wieder ausgepackt. Das Laserlicht hat die Polymerhüllen geknackt, indem es sie aufheizte und so ihre Moleküle aufbrach (Angewandte Chemie, Juli 2006).

Die Therapie eines bösartigen Tumors ist eine diffizile Angelegenheit: Einerseits müssen Mediziner auch noch den letzten Rest der Geschwulst zerstören, andererseits möchten sie gesundes Gewebe verschonen. So tötet eine Chemotherapie zwar die kranken Zellen ab, richtet aber auch viel Schaden im Körper an. Also suchen Forscher nach Möglichkeiten, nur die wuchernden Zellen zu zerstören. Erreichen könnten sie das zum Beispiel, indem sie die Substanzen mit Mikrokapseln in die Tumorzellen transportieren und dort freisetzen. Die Forscher um André Skirtach und Gleb Sukhorukov vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und Wolfgang Parak von der Ludwig-Maximilian-Universität München haben jetzt mit einem Laserstrahl gezielt Mikrokapseln geöffnet, die zuvor in eine Tumorzelle eingedrungen waren. Die Kapseln haben ihren Inhalt, eine fluoreszierende Testsubstanz, daraufhin in die Zelle ausgeschüttet. Wie sich der leuchtende Stoff in der Zelle verteilt hat, haben die Wissenschaftler in einem Lichtmikroskop verfolgt.

Als Vehikel diente den Forschern eine Polymerkapsel mit wenigen Mikrometern Durchmesser. Die Wände der Kapseln bauten sie aus mehreren Schichten geladener Polymere auf - immer abwechselnd eine Lage positiv geladener Moleküle und eine Lage negativ geladener. Das ist zumindest im Labor inzwischen eine gängige Methode, um mikroskopische Transportgefäße für Medikamente, Kosmetika oder Nährstoffe herzustellen, die auch durch Zellmembranen hindurchwandern können. André Skirtach und seine Kollegen haben die Kapseln jetzt mit einer Art Sesam-Öffne-Dich ausgerüstet. Dazu brauchen sie allerdings keine Zauberei, sondern Nanopartikel aus Gold- oder Silberatomen. Sie mischen geladene Metallteilchen unter die Moleküle, aus denen sich die Wände der Bläschen zusammensetzen. Sobald die Tumorzellen die Mikrokapseln aufgenommen haben, bestrahlen sie die Transportbehälter mit einem Infrarotlaser. Da die Metallionen die Wärme des Lichts besonders gut aufnehmen und an ihre Umgebung weitergeben, heizen sich die Wände auf. Dabei werden sie so heiß, dass die Bindungen zwischen den Polymeren der Hülle brechen und die Kapseln schließlich aufreißen.

Einstweilen haben die Wissenschaftler die Methode nur an isolierten Tumorzellen erprobt. "Prinzipiell lassen sich so aber auch Wirkstoffe im Körper freisetzen", sagt Helmuth Möhwald, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid und Grenzflächenforschung und einer der beteiligten Wissenschaftler. Das liegt auch daran, dass das Licht des Infrarotlasers zumindest einen Zentimeter tief ins Gewebe eindringt. Da es dort kaum absorbiert wird, heizen sich auch die Zellen des Körpers kaum auf. Erst die Metallpartikel in den Mikrokapseln nehmen die Wärme auf. Aber auch nur wenn sich die Mikrokapseln in einer Zelle befinden. Denn nur auf sie wirkt der Laser.

Neben dem thermischen Öffner, haben die Potsdamer und Münchner Wissenschaftler auch einen Weg gefunden, um die Kapseln stabiler zu machen. Einfach indem sie die frisch gebildeten Mikrokapseln leicht erhitzen, wobei der Durchmesser der Hohlkugeln schrumpft. Gleichzeitig lagern sich die Moleküle in ihrer Hülle enger aneinander, so dass die Kapselwände dicker werden und ihren Inhalt sicherer bewahren.

Ein wesentliches Problem müssen Wissenschaftler allerdings noch lösen, ehe sie Medikamente mit Mikrokapseln gezielt in Tumorzellen schleusen können. Die Steuerung für die Mikrokapseln fehlt nämlich noch: "Dazu müsste man auf den Kapseln Merkmale anbringen, die nur die Zielzellen erkennen", sagt Helmuth Möhwald. Nur diese Zellen ließen dann die Mikrokapseln durch ihre Membran schlüpfen.

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