Schlüsselelement der Knochenbildung analysiert

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie in Freiburg nehmen wichtiges Regulator-Protein unter die Lupe

2. Juni 2006

Unter den angeborenen Fehlbildungen des Menschen finden sich besonders häufig Wachstumsstörungen und andere Anomalien des Skeletts. Dies ist auf die Komplexität der Skelettentwicklung zurückzuführen, die eine Vielzahl von Musterbildungs- und Differenzierungsschritten mit einschließt, die ihrerseits durch eine Vielzahl von Genen reguliert werden. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Cell (2. Juni 2006) haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg einen wichtigen Knotenpunkt in diesem molekularen Netzwerk ausmachen können - den Transkriptionsfaktor SATB2, der auf ganz verschiedenen Ebenen in die Kontrolle der Skelettentwicklung eingebunden ist.

Die Bildung von Organen während der Entwicklung eines Organismus beruht auf der erfolgreichen Koordination verschiedener molekularer Signalwege. Diese regulieren die Entwicklung spezifischer Zelltypen sowie die Musterbildung, also die Zuweisung eines Zelltyps an einen bestimmten Ort. Eine Schlüsselfrage, mit der sich die Wissenschaftler schon lange beschäftigen, lautet, ob es sich bei den regulatorischen Netzwerken für Musterbildung und Zelldifferenzierung um separate Netzwerke handelt, oder ob sich diese überlappen.

Gut untersucht ist der Prozess der Entwicklung des Knochenskeletts bei Wirbeltieren. Über die molekularen Mechanismen, die die Musterbildung und die Differenzierung steuern, gibt es hier eine Fülle an Informationen aus Studien an Modellorganismen und aufgrund von Mutationen bei Menschen. So ist bekannt, dass der Transkriptionsfaktor Hoxa2 Hauptregulator bei skelettalen Musterbildung ist, während Runx2 die Transkription, also die Abschrift bestimmter Gene steuert, die die Differenzierung der Knochen bildende Zellen (Osteoblasten) kontrollieren. Darüber hinaus spielt Hoxa2 aber auch eine antagonistische Rolle bei der Knochenbildung.

Die Wissenschaftler aus der Abteilung von Rudolf Grosschedl am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg haben ein Protein ins Visier genommen, das, wie sich jetzt herausgestellt hat, mit Hoxa2 und Runx2 interagiert und einen wichtigen molekularen Knotenpunkt in den beiden genannten Netzwerken darstellt: SATB2 gehört zu einer Familie von Proteinen, die sich im Zellkern befinden und die zellspezifische Genexpression regulieren. Die Proteine binden an bestimmte AT-reiche DNA-Abschnitte, die während der Dekondensation der Chromosomen in Form einer Chromatinschleife exponiert werden, und erleichtern auf diese Weise das Andocken von Transkriptionsfaktoren und die Stimulation der Genaktivität.

Während der embryonalen Entwicklung spielt dieses Protein eine entscheidende Rolle bei der Bildung bestimmter Gesichtsstrukturen: Mausmutanten, die kein SATB2 besitzen, weisen zahlreiche so genannte craniofaciale Defekte auf, wie eine deutliche Verstümmelung des Unterkiefers, eine Verkürzung der nasalen Knochen und der Kieferknochen sowie Missbildungen der Gaumenspalte. Bei Menschen mit Veränderungen in einer bestimmten Chromosomenregion, die den Genort für dieses Protein einschließt, unterbleibt die Verschmelzung des Sekundärgaumens.

In umfangreichen Experimenten mit Mausmutanten konnten die Freiburger Forscher nun zeigen, dass SATB2 mit einer Vielzahl von Proteinen interagiert und dabei unter anderem die Expression von Hoxa2 herunter regelt, während es die Aktivität der Transkriptionsfaktoren Runx2 und ATF4, die für die Differenzierung der Osteoblasten und die Knochenmineralisierung essenziell sind, verstärkt.

"Angesichts der großen Zahl vererbter skelettartiger Anomalitäten beim Menschen ist es wichtig, unser Verständnis der regulatorischen Mechanismen zu verbessern, die die Entwicklung des Skeletts steuern", sagt Rudolf Grosschedl. "Mit SATB2 haben wir nun einen molekularen Mechanismus aufgedeckt, über den sich Musterbildung und Differenzierung während dieser Entwicklung miteinander verknüpfen lassen."

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