Meteorite als kosmische Schatzkammern

Amerikanisch-deutschem Forscherteam gelingt es erstmals, interstellare organische Materie in Meteoriten nachzuweisen

4. Mai 2006

Meteorite haben sich ein weiteres Mal als ein wissenschaftliches Schatzkästchen entpuppt. Forscher des Carnegie-Instituts in Washington, der Harvard-Universität in Cambridge und des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz konnten jetzt nachweisen, dass primitive Meteorite nicht nur Hochtemperatur-Sternenstaub enthalten, sondern auch Spuren ursprünglicher oder nur wenig veränderter organischer Substanzen. Diese organische Materie bildete sich vermutlich bei tiefen Temperaturen in der interstellaren Gas- und Staubwolke, aus der unser Sonnensystem vor vielen Milliarden Jahren entstanden ist (Science, 5. Mai 2006).

Als unser Sonnensystem vor ca. 4,6 Milliarden Jahren aus dem Kollaps einer interstellaren Gas- und Staubwolke entstand, wurde ein großer Teil der ursprünglich vorhandenen präsolaren Materie - also Sternenstaub und interstellarer organischer Staub - durch die dabei freigesetzte Wärme zerstört oder verändert. Relikte dieser präsolaren Materie finden sich heute nur noch in kleinen, thermisch wenig veränderten planetaren Körpern, wie Kometen und Asteroiden. Über Meteorite und interplanetare Staubteilchen gelangt dieses Material auch zu uns auf die Erde, wobei man annimmt, dass Kometen das ursprünglichste Material in unserem Sonnensystem darstellen.

Ein Teil der interplanetaren Staubteilchen stammt vermutlich aus Kometen, findet man in diesen doch vergleichsweise große Mengen an Sternenstaub und organischer Materie interstellaren Ursprungs. Letztere könnte eine wichtige Quelle von präbiotischen Molekülen, den Bausteinen für die Entstehung von Leben auf der Erde, gewesen sein. Präsolare Materie findet man auch in primitiven Meteoriten, deren Herkunft im Asteroidengürtel liegt. Anders als bei den interplanetaren Staubteilchen ist man bisher aber bei den Meteoriten davon ausgegangen, dass interstellares organisches Material infolge thermischer Prozesse im Mutterkörper oder im solaren Nebel stark verändert wurde und dass damit wichtige Informationen über die ursprünglichen Trägerphasen verloren gegangen sind.

Dem internationalen Forscherteam vom Carnegie-Institut in Washington, der Harvard-Universität und vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie ist es nun erstmals gelungen, organische Materie, die vermutlich interstellaren Ursprungs ist und weitestgehend unverändert geblieben ist, auch in Meteoriten nachzuweisen. Die Identifizierung erfolgte anhand spezifischer Wasserstoff- und Stickstoff-Isotopensignaturen in kohligen Chondriten, einer Gruppe der primitiven Meteorite.

Wie das Wissenschaftsmagazin Science berichtet, fanden die Forscher in den Proben unlöslicher organischer Materie aus kohligen Chondriten lokal starke Anreicherungen der seltenen Isotope Deuterium sowie Stickstoff-15, wie man sie in dieser Größenordnung bisher nur in interplanetaren Staubteilchen gefunden hat. "Diese Signaturen können durch Ionen-Molekül-Reaktionen bei tiefen Temperaturen in interstellaren Wolken erklärt werden", erläutert Peter Hoppe vom Max-Planck-Institut für Chemie. Für ihre Untersuchungen standen den Forschern zwei besondere Ionenmikrosonden in Washington und Mainz zur Verfügung. Die Mainzer NanoSIMS-Ionenmikrosonde, ein so genanntes Sekundärionen-Massenspektrometer, ermöglicht Isotopenuntersuchungen mit einer räumlichen Auflösung von weniger als 100 Millionstel Millimeter (s. Abb.). Wie die Messungen ergaben, sind die Anreicherungen von Deuterium und Stickstoff-15 räumlich nicht korreliert, was auf unterschiedliche Entstehungsprozesse und unterschiedliche organische Trägerphasen hindeutet.

Die Beobachtungen des amerikanisch-deutschen Forscherteams lassen vermuten, dass die interstellare organische Materie zu einem Zeitpunkt in den Asteroidengürtel gelangt ist, als die Temperatur dort bereits hinreichend niedrig war. Da unverändertes interstellares organisches Material nicht nur in interplanetaren Staubteilchen sondern auch in Meteoriten zu finden ist, stehen nun wesentlich größere Mengen dieser wertvollen kosmischen Materie für detaillierte Laboruntersuchungen zur Verfügung. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Bildung organischer Substanzen und andere chemische Prozesse im interstellaren Medium zu erforschen.

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