Junge Wissenschaftler für das andere Land begeistern

Ein Gespräch mit Martin Stratmann, wissenschaftlicher Geschäftsführer der Minerva-Stiftung

Martin Stratmann, Max-Planck-Vizepräsident und Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf, ist seit drei Jahren wissenschaftlicher Geschäftsführer der Minerva-Stiftung. Aufbauend auf ersten Bestrebungen der Max-Planck-Gesellschaft, nach dem Holocaust wissenschaftliche Beziehungen zu Israel aufzubauen, wurde Anfang der sechziger Jahre die Minerva-Stiftung durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gegründet. Ihr Ziel und Anspruch: die wissenschaftliche Exzellenz in Israel zu fördern und gleichzeitig den wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Israel zu festigen. Die Minerva-Stiftung, die traditionell von einem Vizepräsidenten der MPG geleitet wird, betreut mittlerweile eine Reihe von spezifischen Programmen, wie ein spezielles Kooperationsprogramm mit dem Weizmann-Institut, ein Programm zur Förderung wissenschaftlicher Zentren in Israel oder ein Stipendienprogramm zum Austausch von Nachwuchswissenschaftlern.

Herr Stratmann, welche Motivation treibt Sie an, sich als wissenschaftlicher Geschäftsführer bei der Minerva-Stiftung zu engagieren?

Mich faszinieren Israel und die dortige Wissenschaft schon lange. Es gibt kaum ein Land mit einer besseren wissenschaftlichen Bilanz, wenn man die Größe Israels bedenkt. Damit hat sich auch die Aufgabe der Minerva-Stiftung geändert: Heute geht es darum, die guten wissenschaftlichen und auch gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland weiter zu festigen und die Generation der jungen Wissenschaftler für das jeweils andere Land zu begeistern – trotz und in Kenntnis unserer problematischen Vergangenheit. Auch die deutsche Wissenschaft kann von ihren israelischen Kolleginnen und Kollegen lernen: Von ihrer Aufbruchsstimmung, von ihren unkonventionellen und häufig traditionelle Grenzen der Disziplinen sprengenden Forschungsansätzen und von ihrem Unternehmergeist, der es ihnen immer wieder ermöglicht, Ergebnisse der Grundlagenforschung zur Mehrung des Wohlstandes der Gesellschaft zu nutzen. Die Minerva-Stiftung dient als Basis und Förderinstrument für diesen immerwährenden Austausch von Ideen und Personen; eine Aufgabe, der man sich mit jeder heranwachsenden Wissenschaftlergeneration immer wieder neu stellen muss. Dafür Verantwortung zu tragen, dies hat mich begeistert!

Können Sie uns Beispiele für Ihre Tätigkeit im Rahmen der Minerva-Stiftung nennen?

Mein wichtigstes Ziel nach meiner Amtsübernahme vor drei Jahren bestand darin, die Minerva-Stiftung auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte fit zu machen. Wie eine Evaluation gezeigt hat, sind einige der Minerva-Programme "in die Jahre" gekommen und bedürfen dringend der inhaltlichen und administrativen Neugestaltung. So habe ich in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt meiner Tätigkeit auf die Reform des Zentrenprogrammes gelegt. Dieses Programm wird völlig neu aufgelegt. Viele alte Zentren werden geschlossen. Mit den so frei werdenden Mitteln werden neue Zentren in einem wettbewerblichen Verfahren eröffnet. Derzeit arbeiten wir mit dem BMBF gemeinsam daran, dem Zentrenprogramm auch eine langfristige solide finanzielle Basis zu sichern, da diese einen Kern der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Deutschland und Israel darstellen, auf dem viele Projekt-Kooperationen aufbauen.

Sie planen für diesen Herbst erstmalig gemeinsam mit dem BMBF und Ihren israelischen Partnern ein „Minerva Science Festival“ in Jerusalem. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Das „Minerva Science Festival“ soll der Höhepunkt unserer Minerva-Aktivitäten in Israel sein. Wir werden der Öffentlichkeit die neu ausgewählten Zentren vorstellen, die Leistungen der vorhandenen Zentren präsentieren, aber auch allen Beteiligten und uns Nahestehenden die Gelegenheit zu einem engen Austausch geben. Voneinander lernen, Erfahrungen sammeln, Pläne und Ideen für die Zukunft schmieden: Dies wird der Inhalt des „Festivals“ sein. Ich freue mich, dass Bundesforschungsministerin Annette Schavan die Schirmherrschaft fürr diese Veranstaltung übernommen hat. Dies zeigt auch die Bedeutung, die die Minerva-Stiftung für die Forschungspolitik in Deutschland hat.

Sie sprachen von der Reform des Zentrenprogrammes. Wie darf man sich Minerva-Zentren der Zukunft vorstellen?

Unter Minerva-Zentren der Zukunft stelle ich mir „hot-spots in science“ vor, herausragend, weithin sichtbar, interdisziplinär aufgestellt und wissenschaftlichen Fragen der Zukunft gewidmet, jedoch nicht dem Mainstream der Forschungslandschaft verhaftet. Dabei werden geisteswissenschaftlich ausgerichtete Zentren auch in Zukunft von zentraler Bedeutung sein. Andere Zentren werden sowohl geisteswissenschaftliche als auch naturwissenschaftliche Fragen symbiotisch behandeln. Ein Beispiel für Letzteres ist das im vergangenen Jahr eingeweihte „Minerva Center for interdisciplinary studies of the end of life“, das eine Brücke von der Medizin hin zu den Sozial- und Rechtswissenschaften schlägt.

Minerva-Zentren der Zukunft sollen so etwas wie einen wissenschaftlichen Nährboden darstellen: Nährboden für weitere Kooperationen und Projekte, die nicht durch die Minerva- Stiftung finanziert werden; Nährboden aber auch für Studierende in Israel und Deutschland, die sich von diesen Zentren angezogen fühlen und die Botschaft wissenschaftlicher Kooperation zwischen beiden Ländern in die nächste Generation tragen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Zusammenarbeit generell mit Israel?

Die Zusammenarbeit mit Israel wird sich in Zukunft  verändern. Israel ist heute ein wichtiger und erfolgreicher Bestandteil der europäischen Forschungslandschaft. Seine besten Institutionen und Universitäten befinden sich auf Augenhöhe mit den besten Einrichtungen im Rest Europas. Für Deutschland und insbesondere für die Max-Planck-Gesellschaft ist es wichtig, ein Netzwerk herausragender Wissenschaftsinstitutionen zu knüpfen, um langfristig sicherzustellen, dass Europa in der Top-Liga der Wissenschaft einen führenden Platz einnimmt. Dieses Ziel wird auch Israel und uns eng zusammenführen, da wir uns beide den gleichen Zielen der wissenschaftlichen Exzellenz verpflichtet fühlen.

Haben Sie einen persönlichen Wunsch, den Sie gerne in diesem Zusammenhang verwirklichen würden?

Die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte hat gezeigt, dass Wissenschaft verbinden kann, selbst Länder wie Deutschland und Israel, die nach dem Holocaust durch einen tiefen, nicht überbrückbar erscheinenden Graben voneinander getrennt waren. Mein persönlicher Wunsch wäre, dass die Minerva-Stiftung in ähnlicher Weise dazu beitragen könnte, Forscher aus Israel und seinen Nachbarländern in einen gemeinsamen wissenschaftlichen Dialog zu führen. Die neuen Minerva-Zentren sind sehr interdisziplinär aufgestellt, und natürlich wäre es wunderbar, wenn wir in diesem Rahmen ein transnationales Minerva-Zentrum aufbauen könnten.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Claudia Kahmen.

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