Logistikprobleme an der Synapse

Max-Planck-Wissenschaftlern gelingen erste Einblicke in den Transport bestimmter Boten-RNA in die Kontaktregion von Nervenzellen

19. Februar 2003

Eine der großen Fragen in der Biologie ist zu verstehen, wie Nervenzellen Information untereinander weiterleiten. Den Verbindungsstellen zwischen verschiedenen Nervenzellen - den so genannten Synapsen - kommt dabei eine ganz zentrale Rolle zu. An ihnen findet die Informationsübertragung statt, und sie entscheiden auch mit darüber, was man sich merkt und was man wieder vergisst. Eine spezifische Ausstattung mit Proteinen ist - soviel wissen die Forscher bereits - für die besondere Funktion der synaptischen Region ausschlaggebend. Die Logistik des Systems, also wie bestimmte Proteine an den Synapsen angereichert werden, ist hingegen noch weitgehend unbekannt. In der jüngsten Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 100, 18. Februar 2003) berichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen über die erfolgreiche biochemische Isolierung von Transportkomplexen (Ribonukleoprotein-Partikel, RNPs), die bestimmte Boten-RNAs in die Dendriten von Nervenzellen befördern und an der Synapse lagern. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt für das Verständnis der Kommunikation zwischen Nervenzellen und der im Nervensystem ablaufenden Vorgänge.

Synapsen sind kleine, hochspezialisierte Bereiche in der Plasmamembran von Nervenzellen. Entscheidend für ihre Funktion ist, dass sie sich von anderen Bereichen der Nervenzelloberfläche unterscheiden. Diese Unterschiede entstehen dadurch, dass in der synaptischen Region andere Proteine hergestellt werden als in anderen Regionen der Nervenzelle. Bislang war allerdings noch sehr wenig darüber bekannt, wie es Nervenzellen gelingt, bestimmte Boten-RNAs, die quasi die Bauanleitung für Proteine darstellen, an Synapsen anzureichern bzw. spezifisch dorthin zu transportieren.

In einer lebenden Zelle finden zahlreiche Transportprozesse statt: Während Proteine überwiegend über Vesikel, kleine membranumhüllte Bläschen, oder aber direkt in löslicher Form transportiert werden, scheint dies nicht für RNAs zu gelten. Studien in lebenden Nervenzellen ergaben einen vollkommen anderen Mechanismus: So werden Boten-RNAs offensichtlich von RNA-bindenden Proteinen erkannt, in so genannte Ribonukleoprotein-Partikel (RNPs) verpackt und anschließend mit Hilfe von molekularen Motoren entlang eines Schienenstrangs (in den meisten Fällen den Mikrotubuli, röhrenförmigen Strukturen des Zellskeletts) transportiert. Dieser Prozess ist besonders eindrucksvoll in Nervenzellen, da in ihnen bestimmte mRNAs über zum Teil erhebliche Distanzen in die fingerartig auswachsenden Zellfortsätze, die Dendriten, transportiert werden.

In der Arbeitsgruppe von Michael Kiebler am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen ist es nun gelungen, solche Transporteinheiten - die RNPs - biochemisch zu isolieren und näher zu charakterisieren. Als molekulare Markierung verwendeten die Forscher dabei ein Protein aus der Familie der RNA-bindenden Proteine, Staufen1 genannt. Diese Proteine sind in Nervenzellen entweder für den Transport von mRNAs in die Dendriten verantwortlich oder aber für deren Verankerung an ihrem Zielort.

Während Massimo Mallardo und seine Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Michael Kiebler in isolierten Transportpartikeln aus Rattenhirn - neben zahlreichen unbekannten Nukleinsäuren - zwei RNAs fanden, die beide in Dendriten vorkommen (BC1 und die -Untereinheit der Ca2+/Calmodulin-abhängigen Proteinkinase II), wurden sie in den Partikeln, die ausschließlich im Zellkörper lokalisiert sind, auf der Suche nach RNAs nicht fündig. In diesen Transportpartikeln ließ sich allerdings ein molekulares Motorprotein nachweisen, das - so eine Arbeitshypothese der Wissenschaftler - die Partikel in den Dendriten entlang von Mikrotubuli transportieren könnte. Die Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass die Staufen-Proteine tatsächlich ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Transport von mRNAs in die Zellfortsätze und den bisher noch nicht näher charakterisierten Transporteinheiten darstellen. "Bei der Lokalisierung bestimmter RNAs an die Synapse könnten sie eine wichtige Rolle spielen," sagt Michael Kiebler. "Um einem funktionalen Verständnis der Ereignisse an der Synapse näher zu kommen, stellt die Isolierung der Transportpartikel deshalb einen weiteren wichtigen Teilschritt dar."

Zur Redakteursansicht