Die Sternwarte über den Wolken

Flugzeug-Observatorium Sofia eröffnet Astronomen ein neues Fenster ins All

16. September 2011

Wer nach den Sternen greifen möchte, muss abheben. So könnte das Motto von Sofia lauten, einem zum Observatorium umgebauten Jumbo-Jet. Er trägt ein 2,7-Meter-Teleskop an Bord, mit dem die Forscher in einer Flughöhe von 15 Kilometern jenseits der störenden Atmosphäre die Geburtsstätten ferner Sonnen, galaktische Molekülwolken oder die Hüllen von Planeten im Infraroten beobachten.

Text: Helmut Hornung

Wenn man in einer sternklaren Nacht zum Himmel blickt, sieht man lediglich eine einzige Oktav in der gewaltigen Klaviatur des Kosmos. Zum einen nehmen unsere Augen nur das sichtbare Licht wahr, zum anderen blockiert die Erdatmosphäre einen Großteil der Strahlung aus dem Weltall, etwa Gamma-, Röntgen- oder Infrarotlicht. In diesen Spektralbereichen erscheinen explodierte Sonnen, junge Planetensysteme oder die Kerne ferner Galaxien aber besonders interessant. Daher arbeiten die Astronomen mit einer Armada von Satelliten-Teleskopen oberhalb der irdischen Dunstglocke. Und vor kurzem haben sie auch noch direkt über den Wolken einen Beobachtungsposten eröffnet: Sofia.

Der Name der fliegenden Sternwarte bedeutet Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie. Sofia befindet sich an Bord eines umgebauten Jumbo-Jets vom Typ Boing 747SP und verfügt über ein Teleskop mit 2,7 Meter Spiegeldurchmesser. Das Riesenauge mustert das Universum im infraroten Spektralbereich aus 12 bis 15 Kilometern Höhe. Dort, jenseits der Troposphäre, lässt Sofia praktisch den gesamten Wasserdampf unter sich, der das langwellige Licht aus dem All ansonsten verschluckt.

Das Teleskop ist im Heck des Jumbos montiert und von der Kabine hermetisch abgeschottet. Einmal auf Flughöhe, gleiten Türen im Rumpf auseinander und das Instrument beobachtet im Freien, unter niedrigem Druck und Außentemperaturen um die minus 60 Grad. Der rund 800 Kilogramm schwere Primärspiegel mit den oben erwähnten 2,7 Meter Durchmesser fängt die Strahlung aus dem Weltall auf und wirft sie auf den kleineren Sekundärspiegel, der sie bündelt und zu einem Tertiärspiegel schickt; dieser leitet sie schließlich zur Bildebene des angeschlossenen wissenschaftlichen Instruments.

Als erstes von neun Instrumenten der „First-Light-Generation“ kam die von der US-amerikanischen Cornell University entwickelte Infrarotkamera Forcast zum Einsatz. Anfang April schlug dann die Stunde für den deutschen Beitrag Great. Dieses Spektrometer mustert das Universum im Ferninfrarot-Bereich bei Wellenlängen zwischen 60 und 250 Mikrometer, die aufgrund der Wasserdampfabsorption in der Atmosphäre vom Erdboden aus nicht zugänglich sind.

Als Sofia am 6. April 2011 um 6.40 Uhr lokaler Zeit auf der Piste der Dryden Aircraft Operations Facility im kalifornischen Palmdale aufsetzt, begann eine neue Ära der beobachtenden Astronomie: „Schon die ersten Spektren zeigen das herausragende wissenschaftliche Potenzial der luftgestützten Ferninfrarot-Spektroskopie“, freute sich Great-Projektleiter Rolf Güsten, Wissenschaftler am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, nach dem Jungfernflug. Die große Sammelfläche des Teleskops, gepaart mit enormen Fortschritten der Terahertz-Technologien während der vergangenen Jahre, lasse Great 100-fach schneller Daten erfassen als in früheren Experimenten. „Das eröffnet den Weg für einzigartige wissenschaftliche Beobachtungen.“

Auf dem Programm damals standen die Molekülwolke M 17, eine Region mit verstärkter Sternentstehung in unserer Milchstraße, sowie die nur wenige Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie IC 342. In beiden Quellen registrierte Great neben der Strahlung des ionisierten Kohlenstoffs bei einer Wellenlänge von 0,158 Millimeter auch Spektrallinien des warmen Kohlenmonoxids bei hoher Anregung. Diese Linien künden von atomaren Prozessen, die zu einer Kühlung des interstellaren Materials führen.

Das Gleichgewicht zwischen Heizungs- und Kühlungsprozessen wiederum reguliert die Temperatur des interstellaren Mediums und damit auch die Ausgangsbedingungen für die Entstehung von neuen Sternen. Derartige Prozesse laufen bei tiefen Temperaturen – weit unter minus 200 Grad Celsius –  ab und lassen sich daher nur im Infraroten verfolgen. Daher steht die Geburt von Sternen und Planeten im Fokus der Forscher. Solche kosmischen Kreißsäle werden sich mit Sofia in unserer Milchstraße, aber auch in benachbarten Galaxien in bisher unerreichter Genauigkeit durchmustern lassen.

Um Höchstleistungen zu bringen, muss das Observatorium in absoluter Ruhe sein, selbst die geringsten Erschütterungen würden jede Messung zunichte machen. So entwickelten die Ingenieure ein Isolationssystem gegen Vibrationen, das aus Luftfedern, Silicon-gefüllten Dämpfungsgliedern und einer anspruchsvollen Regelelektronik besteht. Dadurch sind Flugzeug und Teleskop mechanisch voneinander entkoppelt.

Im Bereich vor dem Druckschott und zwischen den Flügeln befinden sich die Arbeitsplätze der Astronomen. Und statt der 1. Klasse gibt es Räume für Gastbeobachter sowie Lehrer, Schüler oder Journalisten. So etwa waren in der Nacht zum 15. Juli erstmals zwei deutsche Lehrer mit an Bord. Wolfgang Viesser vom Christoph-Probst-Gymnasium in München und Jörg Trebs von der Thomas-Mann-Oberschule in Berlin durften hautnah miterleben, als die Wissenschaftler mit Great den gerade entstehenden Stern L1157 in der Konstellation Drache unter die Lupe nahmen.

Stationiert ist der Jumbo-Jet in Palmdale bei Los Angeles. Sofia wird aber auch vom neuseeländischen Christchurch aus zu kosmischen Exkursionen starten.

Projektpartner

Sofia

Das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Es wird auf deutscher Seite finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart. An dieser Hochschule ist auch das Deutsche Sofia Institut (DSI) angesiedelt, das den wissenschaftlichen Betrieb auf deutscher Seite koordiniert, zuständig auf amerikanischer Seite ist die Universities Space Research Association (Usra). Sofias Kernstück, das 2,7-Meter-Teleskop, wurde im Auftrag des DLR gebaut.

Great

Den German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und der Universität zu Köln entwickelt, in Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem DLR-Institut für Planetenforschung. Finanziert haben das Instrument neben den beteiligten Instituten die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie das DLR.

Zur Redakteursansicht