Klimawandel – Baumsterben hat viele Gründe

Das Zusammenspiel der einzelnen Klimafaktoren, die den Bäumen zusetzen, ist bisher kaum bekannt

8. September 2011

Aus der Erdgeschichte sind zwei große Massensterben von Pflanzen bekannt. Eines fand vor etwa 250 Millionen Jahren im Perm statt, das zweite vor rund 200 Millionen Jahren an der Grenze zwischen Trias und Jura. Teilweise wurden bis zu 95 Prozent der Pflanzen einer Region ausgelöscht. Beide Ereignisse stehen in Zusammenhang mit einem drastischen Temperaturanstieg und daraus resultierendem Wassermangel. Im Zuge der Erderwärmung ist auch in den nächsten Jahren mit ähnlichen klimatischen Veränderungen zu rechnen und die Reaktion der Bäume auf diese neuen Bedingungen ist ungewiss. Forscher versuchen, mit Hilfe von Computersimulationen die Reaktionen der Pflanzen auf solche veränderten Bedingungen vorherzusagen. Die Modelle haben bisher den Nachteil, dass sie die Einflussfaktoren als unabhängige Größen betrachten anstatt das System als Ganzes unter die Lupe zu nehmen. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Mark Stitt vom Potsdamer Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie hat zahlreiche dieser wissenschaftlichen Erklärungen ausgewertet und gibt Anregungen und Hinweise für eine Verbesserung zukünftiger Prognosen.

Unsere Pflanzen sind an die klimatischen Bedingungen ihres jeweiligen Standorts angepasst. Aufgrund der Klimaerwärmung sind in den nächsten Jahren ein drastischer Temperaturanstieg und lange Trockenperioden zu erwarten. Infolgedessen muss mit einem erhöhten Pflanzensterben gerechnet werden, da sich die Pflanzen im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht akklimatisiert haben. Die Forscher versuchen, die Folgen der klimatischen Veränderungen auf die Vegetation möglichst genau vorherzusagen. Dazu benutzen sie sogenannte Dynamische globale Vegetationsmodelle (DGVM), also Computersimulationen, die Vorhersagen über die Reaktion der Pflanzen auf veränderte Umwelteinflüsse wie höhere Temperaturen,  geringe Niederschlagsmenge und erhöhten Schädlingsbefall treffen können. Allerdings werden diese Faktoren bisher nur einzeln beleuchtet und nicht als zusammenhängendes System betrachtet. „Die unterschiedlichen Mechanismen, die zum Absterben einer Pflanze oder einer ganzen Pflanzenpopulation führen sind jedoch nicht unabhängig voneinander, sondern eng miteinander verflochten“ erklärt Mark Stitt, der mit Kollegen aus Großbritannien und den USA die tödlichen Wechselwirkungen besser untersucht haben möchte.

Beispielsweise hat ein milder Winter zur Folge, dass die Larven von Insekten nicht erfrieren und im nächsten Frühjahr ein ganzes Bataillon zur Attacke auf die Zielorganismen bereit steht. Wenn dann noch ein übermäßig heißer und trockener Sommer dazu führt, dass die Pflanze nur wenig Fotosynthese betreiben kann und deshalb geschwächt ist, haben die Schädlinge leichtes Spiel. Zwar stellt die Pflanze zuerst das Wachstum ein und konzentriert sich auf ihre „teuren“ – sprich mit hohem Kohlenstoff- und Energieeinsatz verbundenen - Verteidigungsmechanismen, doch irgendwann kann sie auch die nicht mehr aufrechterhalten. Davon profitiert zum Beispiel der Borkenkäfer, der schlimmste Schädling der nördlichen Hemisphäre. Gesunde Bäume halten seinen Angriffen leicht stand und wehren sich mit Harzabsonderungen, aber bei bereits gestressten Organismen haben die Käfer leichtes Spiel. Sie können sich dann in den geschwächten Individuen so stark vermehren, dass kurze Zeit später auch gesunde Bäume zum Opfer ihrer Angriffe werden.

Auch geringe Niederschlagsmengen und große Hitze sind im Duett schädlicher als ihr Soloauftritt es vermuten lässt. Bei Trockenheit schließt die Pflanze ihre Spaltöffnungen um der Wasserverdunstung entgegenzuwirken. Dadurch wird aber gleichzeitig die Fotosynthese behindert und es kann nur wenig Zucker gebildet werden. Zunächst reagiert die Pflanze darauf mit einem verlangsamten Stoffwechsel und einer erhöhten Speicherung der noch vorhandenen Zuckerbausteine in Form von Stärke. Die Pflanze stellt also ihr Wachstum ein und spart für harte Zeiten. Wenn jedoch außerdem zu wenig Wasser im Boden vorhanden ist, dann füllen sich die Leitungsbahnen in der Pflanze mit Luft. Folglich können weder Nährstoffe aus dem Boden in die Pflanze noch die restlichen Kohlenhydrate vom Ort der Entstehung an die Orte des Verbrauchs transportiert werden. Die Fotosynthese wird weiter reduziert und am Ende dieses Teufelskreises sterben die Pflanzen entweder an Austrocknung oder Schädlingsbefall.

„Zukünftige Experiment müssen unbedingt diese und andere Wechselwirkungen betrachten um die Reaktionen der Pflanzen auf neue Umweltbedingungen richtig vorhersagen zu können“, betont Stitt. Außerdem brauche man flächendeckende Beobachtungen um bisherige Hypothesen überprüfen zu können. Wenn man die Modellaussagen nicht mit realen Daten verifiziert ist ein wahrer Erkenntnisgewinn nicht möglich.

 

CSt/HR

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