Kaltes Plasma beseitigt Ehec-Bakterien

In ersten Experimenten reduzieren Prototypen alltagstauglicher Geräte die Zahl der gefährlichen Erreger drastisch

17. Juni 2011

Die nächste Welle von Infektionen mit Ehec-Bakterien lässt sich möglicherweise verhindern. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching und des Münchener Klinikums Schwabing haben verschiedene Ehec-Bakterienstämme wirkungsvoll mit kaltem Plasma abgetötet. Kaltes Plasma besteht aus einem Gas, das bei moderater Temperatur stark ionisiert wird. Es erwies sich nun auch als wirkungsvolles Mittel gegen die Erreger des Stamms O104:H4, der den aktuellen Ausbruch mit tausenden schweren Krankheitsverläufen ausgelöst hat. Für ihre Experimente benutzten die Forscher Prototypen von Geräten, die sich für den kostengünstigen Einsatz in Lebensmittelbetrieben und in privaten Haushalten eignen könnten.

Mehr als 100 Kulturen der Ehec-Bakterien reduzierten die Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und des Städtischen Klinikums Schwabing mit kaltem Plasma drastisch. Bei allen Bakterien handelte es sich um Shiga-Toxin produzierende E. coli Bakterien des Serotyps O104:H4, die während der aktuellen Ehec-Welle von fünf Patienten mit HUS-Syndrom isoliert wurden. Die Kulturen der Erreger behandelten die Wissenschaftler in der Mikrobiologie-Abteilung des Schwabinger Krankenhauses mit zwei Prototypen, die kalte Plasmen erzeugen und am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik konstruiert wurden. „Die Resultate sind aus unserer Sicht sehr überzeugend“, sagt Gregor Morfill, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und Leiter der Untersuchung. „Die Ehec-Bakterien sind zwar etwas widerstandfähiger als normale E. coli Bakterien, für die Inaktivierung spielt das aber keine Rolle.“

Den Geschmack oder den Vitamingehalt der Lebensmittel dürfte die Plasmabehandlung nicht verändern – das zumindest vermuten die Forscher, und zwar aus mehreren Gründen: Ihre Plasmen sind stark verdünnt und daher gerade einmal handwarm. Die Moleküle der Luft werden auch nur für kurze Zeit ionisiert. Anschließend bilden sie sich zurück, so dass das Plasma keine Spuren hinterlässt. Zudem wirkt das Plasma nur oberflächlich. Das haben auch Untersuchungen an der menschlichen Haut gezeigt. Darin haben die Forscher an der behandelten Haut keinerlei Veränderung festgestellt. Und diese Studien zeigten, dass das Plasma kaum in die Haut eindringt. „Um eine umfassende Antwort auf die Frage zu geben, ob das Plasma Geschmack und Nährstoffgehalt verändert, müssten man jedoch alle einschlägigen Lebensmittel testen“, sagt Julia Zimmermann, die als Wissenschaftlerin des Garchinger Max-Planck-Instituts an der aktuellen Studie beteiligt war.

Ein Plasma-Gerät für die heimische Küche

Eines der Geräte kann nach einer entsprechenden Weiterentwicklung modular zu großen Anlagen ausgebaut werden. Darin könnten Betriebe, die Nahrungsmittel verarbeiten, gefährliche Ehec-Bakterien, aber auch andere Bakterien, Viren, Pilze und die im Lebensmittelbereich besonders problematischen Sporen während der Produktion und Aufbereitung beseitigen. In den aktuellen Experimenten verminderte der Test-Apparat die Zahl der Ehec-Erreger in 15 Sekunden auf ein 10 000stel – das reicht, damit Obst und Gemüse bedenkenlos verzehrt werden können. Das andere Instrument könnten Verbraucher nutzen, um die Krankheitserreger in der heimischen Küche abzutöten. Es ist in etwa so groß wie eine Taschenlampe, könnte für rund 100 Euro gefertigt werden und dezimierte die Krankheitskeime in 20 Sekunden sogar auf ein 100 000stel. „Diese Prototypen müssen nun noch zur industriellen Reife gebracht werden“, sagt Gregor Morfill.

Plasmen finden bereits heute Anwendung in der Medizin und dienen etwa dazu, chirurgisches Besteck zu sterilisieren. Doch solche Plasmen sind zu heiß, um damit frische Lebensmittel zu behandeln. Diesen Zweck hatten Garchinger Max-Planck-Forscher auch nicht im Sinn, als sie ihre kalten Plasmen entwickelten. Sie untersuchen damit unter anderem auf der Weltraumstation ISS, wie sich Kristalle bilden und wie Flüssigkeiten fließen. „Weil unsere Plasmen kalt sind, hat es sich natürlich angeboten, sie in der Medizin anzuwenden“, sagt Gregor Morfill. So testen die Forscher, ob sich mit den kalten Plasmen chronisch entzündete Wunden behandeln lassen oder ob Krankenhaus-Mitarbeiter damit ihre Hände desinfizieren können. Den aktuellen Experimenten zufolge könnten sie nun auch dazu beitragen, die Lebensmittel-Hygiene zu verbessern.

PH

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