Schwache Passwörter ganz stark

Einfache Codes ergeben mit Captchas, die zudem durch einen chaotischen Prozess verschlüsselt werden, einen wirksamen Passwortschutz

14. April 2011

Passwörter könnten in Zukunft sicherer werden und gleichzeitig einfacher zu benutzen sein. Forscher des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden ließen sich von der Physik kritischer Phänomene inspirieren, um den Passwortschutz deutlich zu verbessern. Die Wissenschaftler teilen ein Passwort in zwei Teile. Mit dem ersten, leicht zu merkenden Teil verschlüsseln sie ein Captcha – ein Bild, das Computerprogramme per se schwer entziffern können. Die Forscher erschweren Maschinen, die Passwörter automatisiert knacken sollen, das unbefugte Lesen nun zusätzlich. Sie nutzen dafür Bilder eines simulierten physikalischen Systems, das sie zudem mit einem chaotischen Prozess unkenntlich machen. Mit diesen p-Captchas erreichen die Dresdener Physiker einen hohen Passwortschutz, obwohl der Nutzer sich nur ein schwaches Passwort merken muss.

Manchmal setzen Computer auf rohe Gewalt. Hacker-Programme probieren in so genannten brute-force-Attacken alle möglichen Zeichenkombinationen, um Passwörter zu erraten. Deshalb sollen CAPTCHAs (Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart) zusätzlich sicherstellen, dass die Eingabe von einem Menschen und nicht von einer Maschine stammt. Sie stellen dem Nutzer eine Aufgabe, die einfach genug für jeden Menschen und zugleich sehr schwierig für ein Programm ist. So muss ein Nutzer etwa einen Text eintippen, der am Bildschirm verzerrt dargestellt wird. Captchas werden allerdings mit zunehmender Häufigkeit umgangen. Auf diese Weise wurden bereits private Daten der Mitglieder des sozialen Netzwerkes SchülerVZ entwendet.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden haben nun eine neue Variante des Passwortschutzes entwickelt, die auf einer Zeichenkombination und einem Captcha basiert. Das Captcha schützen sie zudem mit mathematischen Methoden der Physik kritischer Phänomene vor maschinellem Zugriff. „Wir machen den Passwortschutz damit sowohl effektiver als auch einfacher“, sagt Konstantin Kladko, der die Idee für den interdisziplinären Ansatz während seiner Zeit am Dresdener Max-Planck-Institut hatte und inzwischen bei Axioma Research im US-amerikanischen Palo Alto forscht.

Die Dresdener Forscher kombinieren Passwort und Captcha zunächst völlig neu. Das Captcha wird nun nicht mehr jedes Mal neu erzeugt, um von Fall zu Fall den menschlichen Nutzer von einer Maschine zu unterscheiden. Vielmehr verwenden die Physiker das Codewort in dem nur von Menschen zu entziffernden Bild als eigentliches Passwort, das den Zugang beispielsweise zu einem sozialen Netzwerk oder einer online-Bankkonto gewährt. Dieses Passwort verschlüsseln die Forscher zudem mit einer Zeichenkombination.

Aber damit noch nicht genug: Bei dem Captcha handelt es sich um die Momentaufnahme eines dynamischen, chaotischen Hamilton’schen Systems in zwei Dimensionen. Der Einfachheit halber kann man sich diese Grafik als eine graustufige Pixelmatrix vorstellen, in der jedes Pixel für einen Oszillator steht. Die Oszillatoren sind in einem Netz gekoppelt. Jeder Oszillator pendelt zwischen zwei Zuständen und wird dabei von den benachbarten Oszillatoren beeinflusst, so dass sich die Graustufen ergeben.

Eine chaotische Entwicklung verzerrt das Passwort

Eine bestimmte Zeit lang lassen die Physiker das System sich nun chaotisch entwickeln. Die graustufige Matrix ändert die Farbe ihrer Pixel. Das Ergebnis ist eine Grafik, auf der kein Wort mehr zu lesen ist. Diese Grafik verschlüsseln die Forscher anschließend mit der Zeichenkombination und speichern das Ergebnis ab. „Wir sprechen daher von einem passwortgeschützten Captcha oder p-Captcha“, sagt Sergej Flach, der am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme gemeinsam mit Tetyana Laptyeva die entscheidenden Forschungsergebnisse erzielt hat. Weil die chaotische Entwicklung der Anfangsgrafik deterministisch, sprich umkehrbar, ist, lässt sich die ganze Prozedur anhand der Zeichenkombination rückgängig machen, so dass der Nutzer das im Captcha verborgene Passwort wieder lesen kann.

„Die Zeichenkombination, mit der wir das Passwort im Captcha verschlüsseln, kann sehr einfach zu merken sein“, erklärt Konstantin Kladko. „Wir berücksichtigen also, dass die meisten Menschen sich nur einfache Passwörter einprägen wollen oder können.“ Dass die Passwörter entsprechend schwach sind, macht jetzt nichts mehr. Denn der eigentliche Schutz rührt von dem im Captcha codierten Passwort her.

Das im Captcha verborgene Passwort ist zum einen zu lang, als dass Maschinen es mit einer brute-force-Attacke in angemessener Zeit erraten könnten. Zum anderen verwenden die Physiker ein kritisches System, um das Passwortbild zu erzeugen. Dieses System befindet sich in der Nähe eines Phasenübergangs: An einem Phasenübergang wechselt das System von einem physikalischen Zustand in einen anderen, etwa vom paramagnetischen in den ferromagnetischen. In seiner Nähe bilden sich aber immer wieder Bereiche, die den Übergang vorübergehend bereits vollziehen. „Das resultierende Bild ist zu jeder Zeit sehr grobkörnig und somit maschinell nicht von dem gesuchten Original zu unterscheiden“, erklärt Sergej Flach.

„Obwohl die Arbeit gerade erst bei einer Fachzeitschrift eingereicht wurde und nur online als Preprint auf einem Archiv verfügbar ist, hat sie bereits zahlreiche Reaktionen in der Community hervorgerufen, und das nicht nur in Hacker News“, sagt Sergej Flach: „Ich war von der Tiefe mancher Kommentare in bestimmten Foren, etwa in Slashdot, sehr beeindruckt.“ Die Fachleute sind offenbar von der Raffinesse des Ansatzes beeindruckt, dank dessen Passwörter künftig sehr schwer zu knacken sein können. Zudem lässt sich die Methode leicht und schnell in gängigen Computersystemen umsetzen. "Eine Erweiterung auf mehrere p-Captcha Stufen liegt auf der Hand", sagt Sergej Flach. Allerdings erfordert sie höhere Rechenleistung, um die chaotische Entwicklung in einer vertretbaren Zeit rückgängig zu machen: „Daher möchten wir künftig verschiedene Hamilton’sche und nicht-Hamilton’sche Systeme daraufhin untersuchen, ob sie einen schnelleren und noch effektiveren Schutz ermöglichen.“

MVC/PH

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