Forschungsbericht 2010 - Max-Planck-Institut für Meteorologie

Begrenzter Klimaeinfluss von extrem großen Vulkaneruptionen

Autoren
Timmreck, Claudia
Abteilungen
Atmosphäre im Erdsystem (Bjorn Stevens)
Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
Zusammenfassung
Sehr große Vulkaneruptionen werden mit globalen Klimaveränderungen, biotischen Umwälzungen, und für die Toba-Eruption vor 74.000 Jahren, auch mit einem „Beinahe-Aussterben“ der Menschheit in Verbindung gebracht. Eine der größten Unsicherheiten in der Berechnung des Klimaeffektes ist die zeitliche Entwicklung der Aerosolgrößenverteilung. Mikrophysikalische Prozesse führen bei extrem großen Eruptionen zur Bildung sehr großer Teilchen, die relativ schnell aus der Atmosphäre ausfallen. Berücksichtigt man dies in Modellsimulationen, ist der berechnete Klimaeinfluss geringer als bisher vermutet.

1. Klimaeinfluss von großen Vulkaneruptionen

Eine der großen Herausforderungen in der Klimaforschung ist die Unterscheidung zwischen der natürlichen Klimavariabilität und dem von Menschen beeinflussten Klimawandel. Um diese Faktoren voneinander abzugrenzen, ist es erforderlich, die natürliche Klimavariabilität zu verstehen. Sie wird durch interne Schwankungen des Klimasystems aber auch durch externe Faktoren wie die Variabilität der Sonnenstrahlung oder große Vulkaneruptionen hervorgerufen, die eine große, wenn auch zeitlich begrenzte Störung des Strahlungsantriebes darstellen.

Vulkaneruptionen können große Mengen von Gasen sowie festen Teilchen (Asche) in die obere Atmosphäre eintragen. Die vulkanische Asche fällt auf Grund ihrer Größe und Masse schnell aus der Atmosphäre aus. Der Klimaeffekt von Vulkanen resultiert vor allem aus den Emissionen von schwefelhaltigen Gasen, aus denen sich Aerosolpartikel bilden, deren Konzentration das stratosphärische Hintergrundaerosol um mehrere Größenordnungen übertreffen kann. Stratosphärische Aerosole beeinflussen das globale Klimasystem auf vielfältige Weise (Abb. 1). Sie haben einen direkten Strahlungseinfluss, indem sie die einfallende solare Strahlung streuen und die Wärmestrahlung der Erde absorbieren. Als Folge davon kommt es zu einer Erwärmung der aerosolenthaltenden Schichten in der Stratosphäre und einer Abkühlung der bodennahen Luftschichten und des Ozeans. An den Oberflächen der vulkanischen Aerosolteilchen finden außerdem heterogene chemische Reaktionen statt, die zu einer Chloraktivierung und damit zu einem Abbau der Ozonschicht führen.

Seit der ersten historisch datierten Verbindung (Plutarch [1]) zwischen einer Vulkaneruption (Ätna, 44 v. Chr.) und der darauffolgenden Klimaänderung ist der Klimaeinfluss von Vulkanen Gegenstand vielfältiger Untersuchungen geworden, die von atmosphärischen und geologischen Messungen über die Analyse von Eisbohrkernen und Proxydaten bis hin zur Klimamodellierung reichen. Direkte Beobachtungen des vulkanischen Aerosols existieren erst seit ein paar Jahrzehnten und umfassen im Wesentlichen zwei klimawirksame Vulkaneruptionen, die des El Chichòn im April 1982 und die des Pinatubo im Juni 1991. In den letzten Jahren hat sich dadurch unser Systemverständnis der Wirkung von Vulkanausbrüchen wesentlich verbessert. Es sind jedoch immer noch grundlegende Fragen bezüglich des Beitrags von Vulkanen zur natürlichen Klimavariabilität auf unterschiedlichen Zeitskalen (paläologisch, historisch, dekadisch) ungeklärt.

Um diese Fragen zu beantworten und insbesondere die Auswirkungen von extrem großen vulkanischen Eruptionen auf das Klima und das Erdsystem zu verstehen, ist vor wenigen Jahren am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) das abteilungsübergreifende Projekt „Super-Vulkan“ etabliert worden. In diesem Projekt werden sehr große Vulkaneruptionen mithilfe eines komplexen Klimamodells untersucht, welches alle relevanten Bereiche unseres Erdsystems umfasst (Erdsystemmodell).

2. Vulkanische Supereruptionen

Als Supereruptionen bezeichnet man extrem große Vulkanausbrüche, die mehr als 1015 kg Material (~150-mal die Masse der Pinatuboeruption) emittieren [2]. Supereruptionen finden mit einer mittleren Häufigkeit von 1,4 Ereignissen pro eine Million Jahre statt, aber in der Erdgeschichte sind durchaus Episoden mit einer wesentlich höheren Häufigkeit bekannt. Supereruptionen treten vor allem in Gebieten von Subduktionszonen und kontinentalen Hot Spots auf. Als aktive Vulkane, welche in der heutigen Zeit noch Supereruptionen produzieren können, gelten z.B. das Yellowstone-Vulkansystem und die Phlegräischen Felder westlich von Neapel. Die Auswirkungen von vulkanischen Supereruptionen sind für die unmittelbar angrenzenden Gebiete katastrophal. Sogenannte pyroklastische Ströme können zehntausende von Quadratkilometern mit dicken heißen Ascheschichten bedecken, unter denen kein Leben mehr möglich ist. Supereruptionen haben jedoch nicht nur regionale Auswirkungen sondern können auch für eine globale Abkühlung von mehreren Grad sorgen, mit weitreichenden klimatologischen Konsequenzen.

Eine der wissenschaftlich interessantesten Supereruptionen ist die Young Toba Tuff (YTT) Eruption vor 74.000 Jahren, die auch im Zusammenhang mit einem Flaschenhals in der menschlichen Entwicklung diskutiert wird [3]. Der Grad der globalen Abkühlung nach der YTT ist jedoch unbekannt. Frühere Atmosphären-Ozeanmodelle [4, 5] berechneten eine dekadische Abkühlung von mehr als 10 K im globalen Mittel. Diese Ergebnisse erscheinen jedoch widersprüchlich zur hohen Überlebensrate von Säugetieren in Südostasien [6].

Für den Klimaeffekt von Vulkaneruptionen ist die Menge der stratosphärischen Schwefelemission von zentraler Bedeutung. Für die YTT variiert diese Berechnung um mehr als eine Größenordnung (zwischen dem 10- und 360-fachen der Schwefelemission der Pinatuboeruption) [3]. Bei den Berechnungen, die zu der oben zitierten Abkühlung um 10 K geführt haben, wurde zum Beispiel eine 100-fache Schwefelmenge angenommen. Neben der emittierten Schwefelmenge ist aber auch die Größenverteilung des resultierenden vulkanischen Aerosols für den Klimaeffekt entscheidend [7]. Eine erhöhte stratosphärische Schwefelkonzentration führt zu einem Anwachsen der Teilchen. Große Partikel haben aber zum einen andere Strahlungseigenschaften als die kleineren Hintergrundaerosolteilchen und fallen zum anderen schneller aus der Atmosphäre aus. Dies hat direkte Auswirkungen auf den vulkanischen Strahlungsantrieb zur Folge. Die sich zeitlich verändernde Größenverteilung ist in bisherigen Berechnungen des Klimaeffektes der YTT nicht berücksichtigt worden und könnte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die globale Abkühlung in früheren Berechnungen sehr hoch ausfällt. Um dieses herauszufinden, sind im Rahmen des Supervulkan-Projektes Erdsystemmodellsimulationen zur YTT durchgeführt worden [8].

3. Erdsystemmodellsimulationen der Young Toba Tuff-Eruption

Für die Simulation der YTT mit dem Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-ESM, [9]) ist ein Zwei-Stufenverfahren angewendet worden. In einem ersten Schritt wurden die Bildung und die Entwicklung des vulkanischen Aerosols und dessen optischen Eigenschaften ausgehend von einer anfänglichen stratosphärischen Schwefelemission von 850 MT Schwefel (100 x Pinatubo) mit einem Aerosolmodell berechnet. In einem zweiten Schritt wurde der zuvor berechnete Strahlungsantrieb der Vulkanaerosole in das MPI-ESM integriert [8].

Die MPI-ESM-Simulationen der YTT-Eruption zeigen, dass in den ersten neun Jahren die globale Oberflächentemperatur und der global gemittelte Niederschlag signifikant abnehmen (Abb. 2). Während jedoch die Abweichungen in den globalen Niederschlagsanomalien zwischen den einzelnen Ensembleläufen sehr gering sind, überlagern die unterschiedlichen Ozeanbedingungen das globale Temperatursignal. Die maximale globale Abkühlung beträgt für das Ensemblemittel 3,5 K, schwankt aber in den Einzelsimulationen je nach Anfangsbedingungen zwischen 3,8 K und 3,1 K.

Besonders interessant ist die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung nach der YTT-Eruption über dem indischen Subkontinent, da derzeit unter Paläoarchäologen kontrovers diskutiert wird inwieweit moderne Menschen die Toba-Eruption in Indien überlebt haben [10]. Zwar ist in den MPI-M-Erdsystemsimulationen über Indien eine deutliche Temperaturabnahme zu erkennen (Abb. 2), jedoch liegen die absoluten Temperaturen weiterhin im zweistelligen Bereich. Auffällig ist, dass die Temperaturanomalien im Sommer in den ersten zwei Jahren nach der Eruption im Bereich der natürlichen Variabilität bleiben und erst danach signifikant abnehmen. Grund dafür ist, dass in den beiden ersten Sommern reduzierte Wolken und Niederschlagsbildung den negativen Strahlungsflussanomalien entgegenwirken, da sie zu einer reduzierten Verdampfung und zu weniger Reflektion von solarer Strahlung führen. Nach drei Jahren, wenn sich die Niederschlagsanomalien nicht mehr von der natürlichen Variabilität unterscheiden, dominiert wieder die strahlungsbedingte Abkühlung und führt zu niedrigeren Sommertemperaturen in den folgenden Jahren.

Globale Temperaturanomaliemuster zeigen, dass die Sommertemperaturanomalien am stärksten ein Jahr nach dem Vulkanausbruch sind, wenn eine großräumige Abkühlung von mehr als 6 K mit Maximalwerten von 12 K über den Kontinenten der Nordhemisphäre zu beobachten ist (Abb. 3). Über dem tropischen Pazifik ist die Abkühlung im Allgemeinen schwächer und abhängig von den dortigen Meeresoberflächentemperaturen zum Eruptionszeitpunkt. Im tropischen Pazifik ist die natürliche Variabilität der Temperaturen durch das als ENSO (El Niño-Southern Oscillation) bezeichnete Phänomen besonders stark. Im Winter sind positive Temperaturanomalien über dem nördlichen Teil von Eurasien zu finden. Advektion von milder feuchter Luft vom Atlantik hebt den Effekt von strahlungsbedingter Abkühlung in dieser Region auf. Das ist auch nach den meisten historischen Vulkaneruptionen beobachtet worden. Die relativ geringfügigen Verschiebungen der Frostlinie legen nahe, dass es temperaturbedingt keine dramatischen großräumigen Veränderungen in der Biosphäre gegeben hat. Im Einklang mit den Temperaturänderungen sind die stärksten Abweichungen in Niederschlag in den tropischen Regionen zu finden.

Die Simulationen der YYT-Eruption mit dem MPI-ESM zeigen, dass es einen starken negativen Rückkopplungsprozess gibt, der bis dato in den Berechnungen des Klimaeffektes von sehr großen Vulkaneruptionen noch nicht berücksichtigt worden ist. Dieser Effekt resultiert aus der Aerosol-Mikrophysik und führt dazu, dass der Klimaeinfluss sehr großer Eruptionen erheblich geringer ist als bisher angenommen. Für die YTT-Eruption deutet dies darauf hin, dass die meisten Lebewesen die Eruption überlebt haben können.

P. Y. Forsyth:
In the wake of Etna, 44 B.C.
Classical Antiquity 7, 49-57 (1988).
B. G. Mason, D. M. Pyle, C. Oppenheimer:
The size and frequency of the largest eruptions on Earth.
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C. Oppenheimer:
Limited global change due to the largest known Quaternary eruption, Toba 74 kyr BP?
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G. S. Jones, J. M. Gregory, P. A. Stott, S. F. B. Tett, R. B.Thorpe:
An AOGCM simulation of the climate response to a volcanic super-eruption.
Climate Dynamics 25, 725-738 (2005).
A. Robock, C. A. Ammann, L. Oman, D. Shindell, S. Levis, G. Stenchikov:
Did the Toba volcanic eruption of ~74 ka B.P. produce widespread glaciation?
Journal of Geophysical Research 114, D10107, doi: 10.1029/2008JD011652 (2009).
J. Louys:
Limited effect of the Quaternary’s largest super-eruption (Toba) on land mammals from Southeast Asia.
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C. Timmreck, S. J. Lorenz, T. J. Crowley, S. Kinne, T. J. Raddatz, M. A. Thomas, J. H. Jungclaus:
Limited temperature response to the very large AD 1258 volcanic eruption.
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C. Timmreck, H.-F. Graf, S. J. Lorenz, U. Niemeier, D. Zanchettin, D. Matei, J. H. Jungclaus, T. J. Crowley:
Aerosol size confines climate response to volcanic super-eruptions.
Geophysical Research Letters 37, L24705, doi: 10.1029/2010GL045464 (2010).
J. H. Jungclaus, S. J. Lorenz, C. Timmreck, C. H. Reick, V. Brovkin, K. Six, J. Segschneider, M. A. Giorgetta, T. J. Crowley, J. Pongratz, N. A. Krivova, L. E. Vieira, S. K. Solanki, D. Klocke, M. Botzet, M. Esch, V. Gayler, H. Haak, T. J. Raddatz, E. Roeckner, R. Schnur, H. Widmann, M. Claussen, B. Stevens, J. Marotzke:
Climate and carbon-cycle variability over the last millennium.
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M. Balter:
Of two minds about Toba’s impact.
Science 327, 1187-1188 (2010).
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