Freund oder Feind: Wahrnehmung aus dem Augenwinkel

Am Rande unseres Blickfeldes erkennen wir Personen besser als Formen

8. März 2016

Wir sind darauf angewiesen, Handlungen von anderen Menschen schnell und zuverlässig zu erkennen – nur so können wir einschätzen, wer Freund ist und wer Feind. Vieles aus unserer Umgebung spielt sich allerdings im Augenwinkel ab. Was nehmen wir von anderen Personen wahr, wenn wir sie gar nicht direkt anschauen? Forscher am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben entdeckt, dass wir sehr gut darin sind zu sagen, was Personen am Rande des Sichtfelds machen.

Das menschliche Sehvermögen nimmt am Rande des Sichtfeldes schnell ab, weil die Auflösung dort geringer wird. Vieles nehmen wir daher nur verschwommen und ungenau wahr. Gilt das auch für überlebenswichtige Informationen wie die – möglicherweise feindseligen – Handlungen von Personen? Was wir über die Bewegungen einer Person aussagen können, wenn wir sie nicht direkt anschauen, haben sich Forscher des Max-Planck Instituts für biologische Kybernetik genauer angeschaut. Laura Fademrecht hat dazu Versuchspersonen in eine virtuelle Umgebung versetzt.

Die Probanden saßen während des Experiments vor einer drei Meter hohen, gebogenen Panorama-Leinwand, die ein Blickfeld von 230 Grad abdeckte. Durch die übergroße Leinwand wirkte das visuelle Feld so groß wie im realen Leben und die Probanden hatten das Gefühl, in der Szene anwesend zu sein.

Treten, Winken, Händeschütteln

Die Versuchspersonen schauten geradeaus, während Avatare in Form lebensgroßer Strichmännchen am Sichtfeldrand verschiedene Bewegungen ausführten. Dabei maßen die Forscher auch, ob die Probanden ihren Blick nach vorne richteten und nicht an die Seite schweifen ließen.

Im Anschluss sollten die Versuchsteilnehmer angeben, ob die Handlung positiv oder negativ war, beziehungsweise welche Bewegung ausgeführt wurde. Das Repertoire der Strichmännchen reichte dabei von Faustschlägen, Ohrfeigen und Treten über Winken und Händeschütteln bis zur angedeuteten Umarmung.

Zur Kontrolle zeigten die Wissenschaftler auch animierte Strichmännchen mit gänzlich bedeutungslosen Bewegungen, indem sie die Bewegung der Arme und der Beine vertauschten: Die Arme des Avatars führten die Beinbewegung aus und umgekehrt. So entstand eine ähnliche Bewegungsenergie, jedoch keine erkennbare Bedeutung. 

Bewegungserkennung unabhängig von der Blickrichtung

Die Teilnehmer erkannten Handlungen, die 45 Grad von der Blickrichtung präsentiert wurden - also zwei bis drei Handbreit von der Nase entfernt -  mit gleicher Genauigkeit wie Handlungen in direkter Blickrichtung.

Die gute Erkennungsleistung lag nicht an der Bewegung selbst, das konnten die Forscher mit anderen Experimenten ausschließen. Die Probanden erkannten selbst bewegungslose Bilder der Avatare besser als andere statische Objekte, wie etwa simple geometrische Formen.

„Diese Studie zeigt, dass wir menschliche Handlungen in der Peripherie besser wahrnehmen als bisher gedacht,“ schließt Laura Fademrecht und vermutet zudem, dass hinter dem guten Abschneiden der Probanden evolutionäre Anpassungen stecken könnten: „Handlungen anderer Menschen aus den Augenwinkeln erkennen zu können ist vermutlich deshalb so wichtig, weil wir dadurch frühzeitig erkennen, ob eine sich nähernde Person gute oder schlechte Absichten hat.“

CB/HR-PH

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